Draghi-Nachfolge: Kommt ein Finne?

Erkki Liikanen gilt aktuell als Kandidat für die Nachfolge von Mario Draghi.
Erkki Liikanen gilt aktuell als Kandidat für die Nachfolge von Mario Draghi. (c) imago/Pixsell (imago stock&people)
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Nachdem Kanzlerin Angela Merkel dem Bundesbank-Chef Jens Weidmann die Unterstützung entzogen hat, gilt der Finne Erkki Liikanen als Favorit für den Posten des EZB-Präsidenten.

Wien. Das ging flott: Nur wenige Tage nachdem bekannt wurde, dass die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, ihrem ehemaligen Mitarbeiter Jens Weidmann die Unterstützung im Rennen um den Chefposten in der Europäischen Zentralbank entziehen könnte, fällt dieser bei den Buchmachern bereits auf den vierten Platz zurück. Der neue Favorit auf die Nachfolge von Mario Draghi, dessen Amtszeit im Herbst 2019 ausläuft, heißt Erkki Liikanen.

Das zeigt die aktuellste Umfrage von Bloomberg unter Ökonomen zu diesem Thema. Weidmann war bisher haushoher Favorit. Aber jetzt scheint die Kanzlerin lieber den Posten des EU-Kommissionspräsidenten für Deutschland zu beanspruchen. Denn, so offenbar die Denkweise in Berlin: Auch ein Finne würde die harte Geldpolitik verfolgen, die man in Deutschland sehen möchte.

Nun also Liikanen. Der 67-Jährige hat erst vor wenigen Monaten den Posten als finnischer Notenbank-Chef geräumt. Er gilt als Veteran in der europäischen Politik, war bereits mit 21 als Abgeordneter im Parlament in Helsinki und später als Finanzminister, Botschafter und EU-Kommissar tätig. Sein Schönheitsfehler aus deutscher Sicht: Wie sein Kollege Ewald Nowotny in Wien saß Liikanen für die Sozialdemokraten im Parlament. Er ist keineswegs ein überzeugter „Adler“, der auf eine strenge Geldpolitik pocht.

Liikanen gilt als enger Vertrauter Mario Draghis und hat dessen extrem lockere Geldpolitik stets unterstützt. Oder, wie man es in Notenbankkreisen ausdrückt: Er gilt als „moderat und pragmatisch“. Im Jahr 2012 fungierte er als Vorstand einer Expertengruppe zur Reform des Bankensektors in Europa. Die damals ausgearbeiteten Vorschläge wurden aber nur teilweise umgesetzt. Laut Umfrage liegt er auch nur knapp vor den Verfolgern: François Villeroy de Galhau aus Frankreich und Philip Lane aus Irland.

Vielleicht sogar Olli Rehn

Der 59-jährige Franzose war früher als Banker bei BNP Paribas tätig und gilt ebenfalls als „moderat“. Villeroy hat auch die Linie von Draghi stets unterstützt. Zwar haben die Franzosen mit Jean-Claude Trichet bereits den Vorgänger Draghis gestellt; sollte Deutschland auf den Posten verzichten, werden Villeroy aber dennoch gute Chancen eingeräumt. Immerhin stammt der Sproß der Dynastie Villeroy & Boch aus dem Grenzgebiet zwischen Frankreich und Deutschland und spricht perfekt Deutsch (so wie Weidmann übrigens Französisch spricht).

Ebenfalls gute Chancen dürfte der Ire Philip Lane haben. Sein Land hat bisher nie den EZB-Chef oder auch nur einen Posten im EZB-Direktorium besetzt. Der 49-Jährige ist deutlich jünger als seine Konkurrenten. Er hält ein Doktorat der Elite-Uni Harvard. Es könnte für Lane ein Vorteil sein, aus einem der früheren Euro-Krisenstaaten zu stammen. In Zeiten des Brexit einen Iren zum Chef in Frankfurt zu machen, wäre zusätzlich ein deutliches Signal. Lane könnte aber auch nur Chefökonom werden, wenn Peter Praet kommendes Jahr abtritt. Auch dass seine Landsfrau Sharon Donnery die Bankenaufsicht innerhalb der EZB übernehmen könnte, ist ein Nachteil für Philip Lane.

Weidmann liegt bei den befragten Ökonomen aktuell noch auf dem vierten Platz. Dicht gefolgt von einem weiteren Finnen: Olli Rehn. Der wurde bekannt als EU-Währungskommissar während der Krise und hat erst kürzlich den Posten als finnischer Notenbank-Chef übernommen. Er gilt als Verfechter von Haushaltsdisziplin und wäre der Kanzlerin wohl lieber als der Sozialdemokrat Liikanen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2018)

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