Warum China unterschätzt wird

Die wachsende chinesische Mittelschicht stützt die Wirtschaft.
Die wachsende chinesische Mittelschicht stützt die Wirtschaft.APA/AFP/NICOLAS ASFOURI
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Auch wenn der US-Handelskrieg und die Marktturbulenzen auf Chinas Börsen lasten, bietet der wirtschaftliche Wandel Chancen. Sie werden allzu oft übersehen.

Wien. Wenn Anleger in Panik geraten, sind die Folgen auf den Börsen meist deutlich sichtbar. Da sind Chinas Aktienmärkte keine Ausnahme. Sowohl auf dem Festland als auch in Hongkong drehten die Börsenbarometer zuletzt kräftig ins Minus. Denn der schwelende Handelskrieg schreckt die Anleger gehörig auf. Und zusätzlich belasten jetzt auch noch die allgemeinen Marktturbulenzen.

Allerdings sind es nur einige Wirtschaftssektoren und nicht alle, die von den Sanktionen betroffen sind. Darauf verweist Corinna Lau, Leiterin für asiatische Produkte bei der US-Fondsgesellschaft Invesco. Sie kann deshalb den breiten Abverkauf in diesem Ausmaß nicht nachvollziehen. Zudem sei selbst für die betroffenen Branchen die Lage nicht aussichtslos: „Es gibt laufend Gespräche zwischen China und den USA.“ Beide Seiten seien an Lösungen interessiert.

Parallel dazu versucht das Land, seine Dollarabhängigkeit zu reduzieren. Seit gut vier Monaten wird ein neuer Ölindex in Shanghai gehandelt – in der Landeswährung anstatt in Dollar. Derzeit gelten die Marken Brent und WTI als Leitindizes im globalen Ölbusiness, beide werden in der US-Währung gehandelt.

Ziel: 6,5 Prozent Wachstum

Freilich, völlig spurlos gehen die Handelszölle an Chinas Wirtschaft trotz allem nicht vorbei, auch wenn die Invesco-Experten mit keinem dramatischen Einbruch rechnen. Um gut 0,5 Prozentpunkte könnte das Wachstum heuer schrumpfen, lautet die Prognose. Wobei das erklärte Ziel der Regierung, 2018 ein Plus von 6,5 Prozent zu erreichen, dennoch realistisch sei, meint Lau.

Dazu kommt, dass der übergeordnete Trend, der Wandel von einer exportlastigen Wirtschaft hin zu einem starken Fokus auf den Binnenmarkt, noch voll im Gang ist, wie Bin Shi, Portfoliomanager des UBS China Opportunity Fund, erklärt. Die Einkommen wachsen, und damit auch die Mittelschicht, was die Abhängigkeit von den USA weiter verringert. Es gibt daher nach Meinung der Experten an der Börse noch reichlich Chancen. Und diese werden von Top-Fondsmanagern durchaus geschickt genutzt, wie die Tabelle zeigt.

Aktien deutlich billiger

Seit der Korrektur ist zudem das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) wieder auf den langjährigen Durchschnitt von zwölf gesunken. Während der Boomphasen lag das KGV teilweise bei 25, ein klares Indiz für einen teuren Aktienmarkt.

Doch wie gehen die Profis letztendlich vor? Bei Invesco hat man etwa Automobilzulieferer im Fokus. Sie liefern an mehrere Autohersteller, das federt etwaige Nachfrageschwächen bei einzelnen Produzenten ab. So rasch dürfte das aber nicht ein ernsthaftes Thema werden. Allein bei den Luxusboliden soll heuer der Absatz in China noch einmal kräftig zulegen, wie die Prognosen andeuten.

Die Reformen im Gesundheitssektor dürften außerdem zu einer Konsolidierung bei den Pharmafirmen führen, erwartet Lau. Das biete ebenfalls Chancen. Und selbst in Chinas Einzelhandel wird man fündig, hier gibt es nur wenige Konkurrenten. Ein Blick auf das Informationsblatt zum Fonds offenbart dabei die größten Aktienpositionen, zu denen etwa der Einzelhändler Sun Art Retail Group, die Pharmafirma Sinopharm sowie China Mobile zählen.

Konsum, Gesundheit, Internet

Internetwerte dürfen aber ebenso wenig fehlen. Das gilt genauso für den China Opportunity Fund von UBS. Abgedeckt wird dieser Sektor mit Titeln wie Alibaba und Tencent. Auf den Gesundheits- sowie den Konsumsektor legt UBS-Experte Shi ebenfalls einen besonderen Fokus – denn schließlich sei das Portfolio auf das Wachstum der chinesischen Binnenwirtschaft ausgerichtet.

Trotz der ambitionierten Wachstumspläne Chinas kann sich der Aktienmarkt von der allgemeinen Marktstimmung aber nicht abkoppeln. Sollte der Handelskrieg noch weiter eskalieren, sind neuerliche Kursverluste trotz allem sehr wahrscheinlich.

Hinweis: Die Besprechung von Wertpapieren und Investments auf dieser Seite ersetzt keine professionelle Beratung und ist nicht als Kaufempfehlung zu betrachten. „Die Presse“ übernimmt keine Haftung für die künftige Kursentwicklung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2018)

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