Neue Masche bei Cum-Ex-Steuerbetrug: Finanz mit Cum-Fake ausgetrickst

AFP (BRYAN R. SMITH)
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In Deutschland bahnt sich ein neuer Betrugsskandal mit dubiosen Aktiengeschäften zu Lasten der Steuerzahler an.

Nach Recherchen von WDR und "Süddeutscher Zeitung" geht die Staatsanwaltschaft Köln einer bisher unbekannten Masche nach, mit der Banker und Aktienhändler Millionen deutscher Steuergelder ergaunert haben könnten. Der Trick solle auf "Phantom-Papieren" basieren.

Bei umstrittenen "Cum-Ex"-Steuergeschäften hatte es bereits einen Milliardenschaden für Steuerzahler in ganz Europa gegeben. Auch in Österreich gab es bisher mehrere Fälle, die möglichen Schadenssummen wurden hierzulande bisher nicht genannt.

Nun wird in Deutschland neuen Vorwürfen nachgegangen. Das deutsche Finanzministerium erklärte Mittwochabend auf dpa-Anfrage: "Die Recherchen der Medien weisen auf einen ernsten Vorgang hin. Das Ministerium geht diesen Vorwürfen mit Hochdruck nach und arbeitet dabei eng mit dem Bundeszentralamt für Steuern, das für die Erstattung von Kapitalertragsteuern zuständig ist, sowie mit den zuständigen Stellen der Bundesländer zusammen."

Dem Bericht zufolge hat das Ministerium per Erlass vorsorglich ein digitalisiertes Erstattungsverfahren gestoppt, das es potenziellen Kriminellen besonders leicht gemacht haben könnte, in die Staatskasse zu greifen.

Es sei nun die Aufgabe der Ermittlungsbehörden, einschlägige Sachverhalte zu prüfen und zu ahnden. Dies umfasse auch die Haftung beteiligter Geldinstitute für den möglicherweise entstandenen Schaden, betonte das Haus von Finanzminister Olaf Scholz (SPD).

"Cum-Fake"

Konkret geht es um Geschäfte mit sogenannten American Depositary Receipts (ADR). Dies sind Papiere, die von Banken ausgestellt und in den USA stellvertretend für ausländische Aktien gehandelt werden. Normalerweise müsse jedem ADR-Papier eine echte Aktie zugrunde liegen. Großbanken und Aktienhändler werde aber nun vorgeworfen, in den USA Millionen von ADR-Papieren herausgegeben zu haben, die nicht mit einer echten Aktie hinterlegt waren. Als Begriff für den neuen Skandal wurde der Begriff "Cum-Fake" geprägt.

Der Kölner Staatsanwalt Rene Seppi betonte auf dpa-Anfrage, er könne lediglich bestätigen, dass Geschäfte mit "American Depositary Receipts" im Zuge der Cum-Ex Ermittlungen auch einmal eine Rolle gespielt hätten und es Überlegungen gebe, "ob das auch so ein System war". Bereits durch die "Cum-Ex"-Affäre wurden Milliarden an Steuergeldern über Schlupflöcher von Großbanken gezielt abgegriffen.

Dem deutschen Finanzministerium und dem Bundeszentralamt für Steuern sind bisher für Deutschland 418 Fallkomplexe umstrittener Aktiengeschäften zu Lasten der deutschen Staatskasse mit einem Volumen von 5,7 Milliarden Euro bekannt. Nach jüngsten Medieninformationen soll der Fiskus in verschiedenen Ländern insgesamt um bis zu 55 Milliarden Euro geprellt worden sein. 2012 wurde das Steuerschlupfloch in Deutschland geschlossen.

Bei den umstrittenen Geschäften schoben Investoren rund um den Dividendenstichtag Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch rasch zwischen mehreren Beteiligten hin und her. Diese ließen die Papiere untereinander zirkulieren, bis dem Fiskus nicht mehr klar war, wem sie überhaupt gehörten. Die Folge der Karussellgeschäfte: Bescheinigungen über Kapitalertragsteuern und den darauf entfallenden Solidaritätszuschlag wurden mehrfach ausgestellt.

Ruf nach einem Sonderermittler

Das deutsche Finanzministerium erklärte zum neuen Fall, Steuerbescheinigungen dürften ausschließlich für ADR-Papiere ausgestellt werden, die sich tatsächlich im Depot des jeweiligen Instituts befänden und für die die Kapitalertragsteuer auf die dem ADR zugrundeliegende Aktie abgeführt worden sei. Sollten Bescheinigungen dennoch beantragt und ausgestellt worden sein, liege ein klarer Gesetzesverstoß vor.

Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) muss nach den neuen Vorwürfen rasch Erklärungen liefern. Der FDP-Politiker Florian Toncar fordert einen Sonderermittler, Scholz müsse dem Bundestag Rede und Antwort stehen. Der Finanzexperte der Linken, Fabio de Masi, fordert, dass das Bundeszentralamt für Steuern und die Finanzaufsicht BaFin alle Erstattungen rund um den Dividendenstichtag systematisch analysieren und eine Task Force schaffen. Nötig seien zudem ein europäisches Finanz-FBI "und ein Unternehmensstrafrecht, um die kriminelle Kultur in den Vorstandsetagen auszumerzen und entwendete Steuergelder lückenlos einzutreiben". Der Grüne-Abgeordnete Gerhard Schick fordert von der Deutschen Bank Auskunft, ob die US-Töchter kriminelle Geschäfte unterstützt haben.

(APA/dpa)

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