Warum Wirecard so oft Zielscheibe ist

Wirecard-Chef Markus Braun erwartet, dass sein Unternehmen bald in der „ganz großen Liga“ spielt.
Wirecard-Chef Markus Braun erwartet, dass sein Unternehmen bald in der „ganz großen Liga“ spielt.(c) Bloomberg (Matthias Doering)
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Die Aktie des Zahlungsabwicklers Wirecard ist nach Betrugsvorwürfen ins Schlingern geraten. Das passiert dem stark wachsenden Unternehmen nicht zum ersten Mal.

Frankfurt. Die Wirecard-Aktie lag am Montagnachmittag wieder zweistellig im Plus. Von den starken Kurseinbrüchen der Vorwoche, ausgelöst durch in der „Financial Times“ (FT) erhobene Betrugsvorwürfe, hat sich der Kurs noch nicht erholt. Wirecard hat die Vorwürfe zurückgewiesen: Die vom Unternehmen beauftragte Anwaltskanzlei habe bisher keine Belege für ein strafrechtliches Fehlverhalten eines Mitarbeiters gefunden.

Hinter dem Vorwurf stecke womöglich eine Fehde zwischen zwei Mitarbeitern. Wirecard-Chef Markus Braun sagte am Montag in einer Telefonkonferenz mit Analysten, er erwarte, dass die Schlagzeilen spurlos an dem Zahlungsabwickler vorbeigehen. Er erkenne keine Auswirkungen auf das operative Geschäft.

Zur Vorgeschichte: Am Mittwoch berichtete die FT, ein Wirecard-Manager in Singapur sei verdächtigt worden, gegen örtliche Gesetze verstoßen zu haben. Die Aktie stürzte ab. Wirecard wies den Bericht als „falsch, ungenau, irreführend und diffamierend“ zurück. Die Aktie erholte sich teilweise.

Die „Zatarra“-Affäre

Am Freitag legte die FT nach und berichtete, die von Wirecard beauftragte Anwaltskanzlei Rajah & Tann habe Hinweise auf finanzielle Unregelmäßigkeiten entdeckt. Das Management von Wirecard habe bereits im Mai des Vorjahres davon erfahren. Die Aktie stürzte – wieder binnen weniger Minuten – abermals schwer ab.

Solche Vorgänge sind bei Wirecard nichts Ungewöhnliches. Das Unternehmen war in der Vergangenheit wiederholt Betrugsvorwürfen ausgesetzt, die bis dato stets im Sand verlaufen sind, dem Kurs aber vorübergehend schwer zugesetzt haben. Vor drei Jahren erhob etwa eine bis dahin unbekannte Online-Research-Plattform namens „Zatarra“ Betrugsvorwürfe gegen Wirecard und gab ein Kursziel von null Euro aus, auch damals stürzte der Kurs schwer ab. Gegen den Herausgeber der Publikation ist in München ein Strafbefehlsverfahren anhängig. Auch diesmal dürften Leerverkäufer vom Kursrutsch profitiert haben (was grundsätzlich legal ist). Auch diesmal ermittelt die deutsche Finanzaufsicht BaFin wegen möglicher Marktmanipulation.

Wie immer die Geschichte diesmal ausgeht, stellt sich doch die Frage, warum Wirecard so anfällig ist für Vorwürfe von bilanziellen Unregelmäßigkeiten und warum der Kurs so heftig reagiert. Ein Grund dürfte im starken Wachstum sowie in den im Kurs widergespiegelten hohen Erwartungen liegen, die Skeptiker auf den Plan rufen.

Der Aktienkurs ist in den vergangenen zehn Jahren um durchschnittlich 40 Prozent pro Jahr gestiegen. Das Unternehmen, das Zahlungen im Internet abwickelt und dessen Kunden vor 20 Jahren in der Porno- und Glücksspiel-Szene beheimatet waren, zählt inzwischen Banken, Versicherer, Kreditkartenfirmen, Einzelhändler und IT-Giganten wie Google oder Apple zu seinen Kunden.

Der Umsatz wuchs 2018 nach vorläufigen Zahlen um 40 Prozent auf 2,1 Mrd. Euro. Das operative Ergebnis kletterte um 38 Prozent auf 568,3 Mio. Euro. Heuer sollen es 740 bis 800 Mio. Euro werden.

Wirecard werde in den nächsten Jahren in die „ganz große Liga“ aufsteigen, hat Braun im Vorjahr angekündigt. Mit dem Verschwinden der Supermarkt-Kasse und der Digitalisierung des Zahlungsverkehrs werde man „kraftvoll organisch die Welt erobern“.

Ambitionierte Erwartungen

Die hohen Erwartungen sind teilweise eingepreist: Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von über 40 ist die Aktie nicht billig. Mit einem Börsenwert von 15,6 Mrd. Euro ist Wirecard so hoch bewertet wie die Deutsche Bank. Zudem schläft die Konkurrenz nicht: Mitbewerber sind etwa Adyen oder Paypal.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2019)

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