Fusion: Thyssens Stahlpakt im EU-Visier

ThyssenKrupp-Chef Guido Kerkhoff muss die EU von seinen Plänen überzeugen.
ThyssenKrupp-Chef Guido Kerkhoff muss die EU von seinen Plänen überzeugen.(c) APA/AFP/dpa/ROLF VENNENBERND (ROLF VENNENBERND)
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Der deutsche Konzern hält an den Stahlplänen mit Tata fest – der Mahnbrief aus Brüssel sei kein Warnschuss. Die Aktie fällt auf den tiefsten Stand seit drei Jahren.

Düsseldorf/Brüssel. Der Glanz war nur von kurzer Dauer: Im Vorjahr hatte just das Stahlgeschäft, das ThyssenKrupp an die britische Tata Steel abspalten will, dem Konzern die Geschäftszahlen aufgefettet. Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2018/19 lief es – abseits von Schwächen im Industriegeschäft mit Komponenten, Aufzügen und im Anlagenbau – auch in der Stahlsparte nicht mehr rund. Weshalb das bereinigte Betriebsergebnis um mehr als ein Drittel auf 168 Mio. Euro absackte.

Der Umsatz stieg indes leicht um zwei Prozent auf 9,7 Mrd. Euro. Das Nettoergebnis fiel mit 136 Mio. Euro deutlich besser aus als im Vorjahr, allerdings war das Vergleichsquartal 2017/18 durch Negativeffekte infolge der US-Steuerreform stark belastet gewesen.

Kein Wunder, dass Thyssen-Boss Guido Kerkhoff Druck auf die Neustrukturierung des Konzerns macht. Die Abspaltung der Stahlsparte soll im Frühjahr unter Dach und Fach sein und die Aufteilung des restlichen Konzerns in ein Werkstoff- und ein Industriegüterunternehmen zum 1. Oktober vollzogen werden, sagte er am Dienstag. Bis 2020/21 sollen die Verwaltungskosten von 380 auf unter 300 Mio. Euro gedrückt werden.

Zumindest was das Stahlgeschäft betrifft, erhält der deutsche Konzern jedoch jetzt starken Gegenwind aus Brüssel. Sollten Thyssen und Tata nicht von sich aus Zugeständnisse machen, würde die EU-Kommission den Unternehmen noch in dieser Woche eine Abmahnung schicken, verlautete aus Insiderkreisen.

Üblich bei so großer Fusion

ThyssenKrupp versuchte umgehend zu kalmieren. Nach dem Verständnis des Konzerns gehe es um ein „Statement of Objections“, um „einen üblichen Vorgang bei einer Transaktion dieser Größenordnung“, sagte Kerkhoff. Das sei keine Überraschung. „Wir sehen das als Grundlage für die weiteren Gespräche mit der Kommission.“

Kerkhoff will das angekündigte Schreiben auch nicht als „Warnschuss“ sehen und auch keine Parallele zur untersagten Fusion der Zugsparten von Siemens und Alstom ziehen. Das könne man überhaupt nicht miteinander vergleichen.

„Wir haben in Europa eine ganze Vielzahl von Stahlherstellern“, lautet sein Argument mit dem Hinweis, dass es in der Vergangenheit auch größere Zusammenschlüsse gegeben habe. So sei etwa die Übernahme der italienischen Ilva durch ArcelorMittal mit Auflagen genehmigt worden. Die Argumente der Kommission würden geprüft und dann gemeinsam mit Tata Lösungen erarbeitet. Aus der Fusion würde der zweitgrößte europäische Stahlkonzern nach ArcelorMittal entstehen.

Die EU-Kommission hat bereits mehrere Bereiche genannt, die sie als kritisch betrachtet. Dazu gehören der Stahl für die Autoindustrie und Verpackungen sowie kornorientiertes Elektroband, das etwa zur Herstellung von Transformatoren dient. Die Frist für eine Überprüfung der Pläne ist schon von März auf Ende April verlängert worden, da nach Angaben der Kommission Unterlagen fehlten. Mitarbeiter der ThyssenKrupp-Verpackungstochter Rasselstein fürchten seit Beginn der Fusionsgespräche, dass ihr Unternehmen abgestoßen wird, um die Wettbewerbshüter zu besänftigen. Die Firma im rheinland-pfälzischen Andernach beschäftigt mehr als 2000 Mitarbeiter.

Der Widerstand der EU-Wettbewerbshüter gegen die Stahlstrategie und das durchwachsene Geschäftsergebnis haben die ThyssenKrupp-Aktie am Dienstag um gut zwei Prozent fallen lassen. Das Papier, das binnen eines Jahres fast 40 Prozent an Wert verlor, war damit so günstig wie seit drei Jahren nicht mehr. (eid/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2019)

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