Ausblick: „Beginn eines 15-Runden-Kampfs“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Sie gelten als gelassen. Die Zuspitzung im Handelsstreit lässt nun aber auch Starinvestoren wie Dalio, Mobius oder Goldman Sachs in den Alarmmodus schalten. Was sind ihre Strategien?

Peking/Washington/New York. Je härter der Handelsstreit zwischen den USA und China ausgetragen wird und je mehr sich beide Seiten auf ein langes Tauziehen mit unklarem Ende einstellen, umso mehr verlieren auch Anleger den Mut. Und zwar nicht nur kleinere Spieler auf dem Markt – nein, auch die großen schalten allem Anschein nach auf Alarmmodus.
So hat Goldman Sachs seine Einschätzung zur Lage des Handelskonflikts aktualisiert, wie der US-Nachrichtendienst CNBC berichtet. Laut der Bank besteht nun eine 60-prozentige Chance, dass die USA einen neuen zehnprozentigen Zoll auf die restlichen, noch nicht mit Zöllen belegten Importe aus China im Wert von 300 Mrd. Dollar erheben. Dies ist eine Steigerung gegenüber einer früheren Schätzung von 40 Prozent.

Neue Strategien der Stars

Goldman rechnet also mit einer Eskalation, was sich auf das US-Wachstum negativ auswirken würde. Aufgrund dieser Risken hat die Bank ihre Wahrscheinlichkeit für Zinssenkungen durch die US-Notenbank „stark angehoben“, aber nicht als ganz sicher angegeben. Angesichts des guten Wachstums und der Inflation von über zwei Prozent könnte eine Zinssenkung, die von US-Präsident Donald Trump gefordert werde, als zu politisch erscheinen.

Nicht nur die Investment-Banken, auch die Stars der Branche bereiten sich mittlerweile auf einen langfristigen Handelskonflikt vor. Gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg sprach etwa US-Investorenlegende Ray Dalio von einem „langen ideologischen Krieg“, der angebrochen ist.
Mark Mobius, früher Templeton-Chef und heute Portfoliomanager von Mobius Capital Partners, hat ebenfalls wenig Hoffnung auf eine schnelle Lösung. Seine adaptierte Strategie besteht darin, Aktien chinesischer Exporteure zu meiden und Firmenwerte aufzunehmen, die an inländische Verbraucher verkaufen.

Selbst wenn es gelingen sollten, ein Handelsabkommen abzuschließen, werden China und die USA laut Mobius auf absehbare Zeit weiterhin über Themen wie Technologie streiten. „Wir sind in einem neuen Spiel – Trump hat wirklich in dieses Wespennest gestochen“, sagte der Marktveteran. Mobius bezeichnete Indien, Vietnam und Bangladesch als potenzielle Nutznießer, weil der Konflikt die Produzenten dazu veranlasse, von China weg zu diversifizieren.

Stephen Jen, ehemaliger Ökonom beim Internationalen Währungsfonds und jetzt Leiter des Hedgefonds Eurizon SLJ Capital, spricht vom „Beginn eines 15-Runden-Kampfs“. Dieser Wettbewerb werde „ein langwieriger Prozess sein, der wahrscheinlich unsere Karriere überdauern wird“.

Die Optimisten

Die Wetten auf eine Entspannung, die dazu beigetragen haben, die Aktien vor vier Wochen auf ein Rekordhoch zu treiben, nehmen rasch wieder ab. Aber es gibt auch Optimisten. James Gorman, CEO von Morgan Stanley, sagte zu Bloomberg, dass er keinen völligen Handelskrieg erwarte, wiewohl er warnte, dass es Jahrzehnte dauern wird, bis die Länder alle ihre Probleme gelöst haben. Und Andy Rothman, ehemaliger US-Diplomat in Peking und nun Investmentstratege bei Matthews Asia, ist zuversichtlich, dass Trump vor den Präsidentschaftswahlen 2020 eine Einigung erzielen wird.

Laut Bloomberg haben Aktien global gesehen in diesem Monat vier Bio. Dollar an Wert verloren. Die Sorgen werden auch durch die Schätzung von Deutsche-Bank-Chefstratege Binky Chadha befeuert, der die Verluste für den US-Aktienmarkt durch den 17 Monate langen Handelskrieg auf fünf Bio. Dollar summiert. (Bloomberg/est)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2019)

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