Investor Pimco spricht von „gefährlichem Präzedenzfall“.
Wenn ein professioneller Investor sich nicht mehr gegen einen Zahlungsausfall versichern kann, verlieren Staatsanleihen an Attraktivität.
Wien/Jil. Investoren werden für ihre Verluste bei einem Schuldenschnitt in Griechenland vorerst nicht durch ihre Kreditausfallversicherungen (CDS) entschädigt. Der Internationale Derivateverband (ISDA) entschied am Donnerstag in London, dass der Verzicht privater Gläubiger, auf den sich die Regierung mit Bankvertretern geeinigt hat, kein „Kreditereignis“ (Zahlungsausfall) darstellt. Das trifft professionelle Anleger, die sich gegen einen Ausfall der Anleihen mit Hilfe von Credit Default Swaps (CDS) abgesichert hatten.
Die Entscheidung in dem aus 15 Mitgliedern bestehenden Ausschuss sei einstimmig gefallen, erklärte der Verband. Er ließ sich aber eine Hintertür offen: Die Lage in Griechenland könne sich immer noch ändern – je nachdem könne sich dann immer noch ein Kreditereignis ergeben, durch das die CDS fällig würden. Nachdem CDS-Titel bei der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 zu einem Dominoeffekt und zur Beinahepleite des großen US-Versicherers AIG geführt hatten, sind ihre Auswirkungen gefürchtet. Bei den Plänen zur griechischen Umschuldung wurde bisher alles darangesetzt, dass Kreditausfallversicherungen nicht fällig werden. Allerdings: Werden die CDS nicht ausgelöst, kann auch dies langfristig negative Folgen haben. Professionelle Anleger sind auf die Versicherungen angewiesen.
Sollte sich an den Märkten die Überzeugung durchsetzen, dass CDS im Ernstfall nicht ausgelöst werden und deshalb ihren Zweck nicht erfüllen, könnten Hedge- und Pensionsfonds aus den Anleihenmärkten flüchten. Bill Gross, Mitbegründer des weltgrößten Anleiheninvestors Pimco, sagte am Mittwoch, die Entscheidung der ISDA würde einen „gefährlichen Präzedenzfall“ darstellen.
Wenn ein professioneller Investor sich nicht mehr gegen einen Zahlungsausfall versichern kann, verlieren Staatsanleihen an Attraktivität. Einige kritische Beobachter der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank vermuten, dass die EZB diese Entwicklung schon hat kommen sehen – und sie deswegen alles tut, um europäische Banken mit Liquidität auszustatten.
Schuldenschnitt: 53,5Prozent
Sollten die Fonds sich aus dem Markt für Staatsanleihen zurückziehen, bleiben nur noch die Banken und ultimativ die Zentralbank als mögliche Investoren übrig. Die EZB hat sich bereits über alle anderen Geldgeber gestellt, als sie ihre Griechen-Anleihen mit neuen Kennnummern versehen ließ, um dem Schuldenschnitt zu entgehen.
Damit dieser funktioniert, müssen die Banken freiwillig auf 107 Mrd. Euro ihrer Forderungen aus den griechischen Staatsanleihen verzichten. Sie tauschen ihre Staatsanleihen in neue Papiere mit 30-jähriger Laufzeit und mit geringeren Zinsen. Der Nominalwert reduziert sich dabei um 53,5 Prozent, unter dem Strich müssen die Gläubiger damit 73 bis 74 Prozent abschreiben. Sie müssen bis Ende nächster Woche entscheiden, ob sie das Tauschangebot annehmen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2012)