Geringfügige Beschäftigung: Rechtliche Randfigur Minijobber

(c) Dapd (Nigel Treblin)
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Die Zahl der „geringfügig Beschäftigten“ in Österreich legt stetig zu und hat sich fast verdoppelt. Viele wissen über die Möglichkeiten, sich abzusichern, wenig Bescheid.

Wien. Zahlreiche Österreicher verdienen in ihrem Beschäftigungsverhältnis pro Monat nicht mehr als 376,26 Euro. Viele wollen gar nicht mehr verdienen, etwa Frühpensionisten oder Arbeitslose, die gar kein höheres Zusatzeinkommen haben dürfen, wollen sie nicht um ihre staatliche Unterstützung umfallen.

Kritiker meinen, dass viele geringfügig Beschäftigte dieses Verhältnis nicht ganz freiwillig eingehen. Einige Betriebe stellen alle neuen Angestellten anfangs nur geringfügig an. Die insolvente Drogeriemarktkette Schlecker ist dafür bekannt, einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Verkäuferinnen geringfügig anzustellen.

Von 1987 bis 2011 hat sich die Zahl der geringfügig Beschäftigten fast verdoppelt: 316.584 Minijobber gab es im November des Vorjahres in Österreich. Auch in den kommenden Jahren erwartet das Sozialministerium einer Studie zufolge einen Zuwachs von drei bis vier Prozent. Zwei von drei geringfügig Beschäftigten sind Frauen.

Einstieg oder Abstieg?

Wenn man die Sache positiv betrachten will, kann man argumentieren, dass Minijobs z.B. für Frauen nach der Karenz den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben erleichtern und eine Brücke zur vollen Erwerbstätigkeit darstellen. Sind vor der Karenz 5,2Prozent der Frauen geringfügig beschäftigt, sind es nach der Geburt 28,3Prozent. Tatsache ist, dass 82Prozent der Minijobber angeben, mit ihrem Job zufrieden zu sein, nur 18Prozent wären lieber in einer anderen Erwerbsform beschäftigt. Laut Sozialministerium sind 35Prozent der geringfügig Beschäftigten armutsgefährdet. Neun Prozent der Minijobber beziehen daneben Arbeitslosenunterstützung oder Notstandshilfe. Mit 17Prozent eher hoch ist hingegen der Anteil der (Früh-)Pensionierten, die sich nebenher ein Zubrot verdienen.

Immerhin 19Prozent, also jeder fünfte Minijobber, gibt an, vom Arbeitgeber nicht ausreichend über seine rechtlichen Ansprüche informiert zu werden. Das gilt für höher Qualifizierte und gering Qualifizierte gleichermaßen. Zu den geringfügig Beschäftigten zählt man, wenn das Gehalt eine Grenze von monatlich 376,26 Euro brutto oder 28,89 Euro pro Tag nicht überschreitet. Ein regelmäßig geringfügig Beschäftigter hat die gleichen Rechte wie ein Teil- oder Vollzeitbeschäftigter.

Dazu zählen der Anspruch auf Urlaub, das Recht auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, das Recht auf Pflegefreistellung und der Anspruch auf Abfertigung. Je nachdem, welcher Kollektivvertrag vorliegt, hat der Arbeitnehmer auch Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

Eine Ausnahme bildet der Kündigungsschutz: Beläuft sich die Arbeitszeit auf weniger als ein Fünftel der Kollektiv-Normalarbeitszeit, beträgt die Kündigungsfrist nur zwei Wochen. Generell sind geringfügige Anstellungen von kurzer Dauer. Nur ein Drittel währt länger als drei Monate.

Keine Sozialversicherung

Der größte Nachteil der Minijobs ist, dass der Arbeitnehmer nicht automatisch sozialversichert ist, sondern nur unfallversichert. Es gibt jedoch die Möglichkeit des „Opting In“: Geringfügig Beschäftigte können freiwillig in eine Kranken- und Pensionsversicherung einzahlen. Der monatliche Beitrag beträgt derzeit 53,10 Euro. Nur 15Prozent der Minijobber nutzen dieses Angebot.

Anders sieht die Lage aus, wenn mehrere geringfügige Beschäftigungen miteinander kombiniert werden. Sobald dabei das Einkommen die Geringfügigkeitsgrenze von 376,26 Euro überschreitet, besteht Versicherungspflicht. Ebenso, wenn der Minijob ein Zuverdienst zur regulären (vollversicherten) Beschäftigung ist. Die Versicherungsbeiträge werden in dem Fall am Anfang des Folgejahres von der zuständigen Gebietskrankenkasse vorgeschrieben. Der pauschalierte Dienstnehmerbeitrag beträgt für Angestellte 13,65Prozent und für Arbeiter 14,2Prozent des Einkommens.

Um zu vermeiden, dass Arbeitgeber die Geringfügigkeit missbrauchen, um die Lohnkosten zu drücken, wurde die Dienstgeberabgabe eingeführt. Das ist ein Pauschalbeitrag zur Kranken- und Pensionsversicherung in der Höhe von insgesamt 16,4Prozent der Beitragsgrundlage. Der Dienstgeber muss diese Abgabe bezahlen, wenn er mehr als einen geringfügig Beschäftigten anstellt und wenn die monatliche Lohnsumme aller seiner geringfügig Angestellten das 1,5-Fache der Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, also für das Jahr 2012 564,39 Euro beträgt.

Ein Beispiel: Bei Beschäftigung von fünf geringfügig Angestellten zu je 90 Euro pro Monat fällt keine Dienstgeberabgabe an (90 x 5 = 450 Euro). In diesem Fall muss der Arbeitgeber nur die Unfallversicherung bezahlen.

Um in diesem Abgabendschungel die Übersicht zu behalten, empfiehlt es sich, mit dem Arbeitgeber eine schriftliche Vereinbarung über die Arbeitszeit zu treffen. Diese darf nicht einseitig abgeändert werden, eine Änderung bedarf immer der Schriftform. Eine Verpflichtung zur Mehrarbeit kann zwar vertraglich vereinbart werden. Werden aber mit der Entlohnung für die Mehrarbeit die Grenzbeträge für die geringfügige Beschäftigung überschritten, liegt tatsächlich keine geringfügige Beschäftigung mehr vor, sondern eine Teilzeitanstellung.

Was Sie beachten sollten bei... geringfügiger Beschäftigung

Tipp1

Versicherung. Geringfügig Beschäftigte haben nur eine Unfallversicherung. Es gibt jedoch die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis gegen einen monatlichen Beitrag von 53,10 Euro eine Kranken- und Pensionsversicherung abzuschließen („Opting In“). Dies gilt allerdings nicht für die Arbeitslosenversicherung. Minijobber sind nicht arbeitslosenversichert und haben auch keine Möglichkeit, eine Arbeitslosenversicherung abzuschließen.

Tipp2

Arbeitszeit. Um Beweisprobleme zu vermeiden, empfiehlt es sich, mit dem Arbeitgeber eine schriftliche Vereinbarung über das Ausmaß der Arbeitszeit zu treffen. Diese Vereinbarung darf nicht einseitig abgeändert werden. Bei Verpflichtung zur Mehrarbeit sollte das Gehalt die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreiten, sonst handelt es sich nicht mehr um eine geringfügige Beschäftigung, und man zahlt volle Sozialversicherungsbeiträge.

Tipp3

Mehrfache Beschäftigung. Wer mehrere Minijobs miteinander kombiniert (oder einen Mini- und einen normalen Job) und dabei über die Geringfügigkeitsgrenze kommt, muss verpflichtend eine Kranken- und Pensionsversicherung abschließen. Die Versicherungsbeiträge werden in diesem Fall am Anfang des Folgejahres von der zuständigen Gebietskrankenkasse vorgeschrieben. Die Kündigungsfrist beträgt für Geringfügige nur zwei Wochen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2012)

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