Energie: Italien setzt auf Kernkraft und baut in Albanien

Die ost- und südeuropäischen Staaten weiten Atomkraftanteil aus.

Rom/Vilnius (APA/AFP/red.). Albanien hat sich bereit erklärt, in seinem Land Atomkraftwerke für Italien zu bauen. Eine italienische Delegation ist dieser Tage in das Balkanland gereist, um die Möglichkeit eines AKW-Baus zu sondieren. Das sagte der albanische Präsident Sali Berisha im Interview mit der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“.

Ein Jahr nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl hatten die Italiener per Volksabstimmung das Ende der Kernkraft durchgesetzt. Drei AKW wurden abgeschaltet, ein im Bau befindliches ging nicht mehr ans Netz. Die Regierung Berlusconi will jetzt der Kernkraft wieder die Tore öffnen.

Unabhängigkeit von Russland

Die Länder in Südosteuropa und Osteuropa haben mit Kernkraft kein Problem. Die Staaten erhoffen sich dadurch mehr Unabhängigkeit von Russlands Gas und Öl. Im litauischen Ignalina planen die drei Balten-Republiken Estland, Lettland und Litauen sowie Polen, ein neues Atomkraftwerk gemeinsam zu finanzieren, zu bauen und zu nutzen. In Ignalina ist vorerst noch der letzte Reaktor des sowjetischen Tschernobyl-Typs innerhalb der EU in Betrieb. Er muss laut EU-Beitrittsvertrag Ende 2008 abgeschaltet werden. Das neue AKW soll 2015 fertig sein, sechs Mrd. Euro kosten und eine Gesamtleistung von 3200 Megawatt in bis zu vier Reaktoren haben. Litauen bezieht sein Gas zu 100 Prozent aus Russland und deckt 30 Prozent seines Energiebedarfs. Ohne Atomkraft stiege dieser Anteil auf 50 Prozent.

In den Beitrittsverhandlungen mit den neuen EU-Mitgliedern haben die alten EU-Staaten die Schließung mehrere Kernkraftwerke sowjetischer Bauart durchgesetzt. Doch zuletzt gewannen in der Region wieder Verfechter der Atomkraft die Oberhand.

In der Slowakei will die italienische Enel, Mehrheitseigentümer der einst staatlichen Stromgesellschaft Slovenske Elektrarne, zwei neue Reaktoren in Mochovce bauen. Auch Rumänien plant zwei weitere Reaktoren bis 2014. Bulgarien hat mit der russischen Gesellschaft Atomstrojexport den Bau eines neuen Atommeilers in Belene vereinbart.

Bevölkerung für Atomkraft

Das Projekt Ignalina könnte sich wegen Streitigkeiten zwischen den Betreiberländern verzögern. Wird es verwirklicht, betreiben alle ehemals kommunistischen Länder der EU Atomkraftwerke im eigenen Land oder in Kooperation mit anderen Ländern. Von den 15 alten EU-Ländern haben derzeit sieben kein AKW. Im Osten ist auch die Zustimmung der Bevölkerung zu Atomkraft stärker: Bei einer Umfrage im Auftrag der EU-Kommission waren acht Prozent der Österreicher für die Nutzung von Kernenergie; in Ungarn, der Slowakei und Tschechien gab es Mehrheiten von 56 bis 65 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2008)

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