Polen: Traum vom "Euro zur Euro" geplatzt

Prime Minister Tusk
Prime Minister Tusk(c) REUTERS (VASILY FEDOSENKO)
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Im Herbst stellte Premier Tusk in Aussicht, die europäische Einheitswährung noch vor der Fußball-EM 2012 einzuführen. Der Termin ist nicht zu halten, gab der stellvertretende Finanzminister Kotecki dieser Tage bekannt.

Warschau. Jetzt ist es raus: Polen wird es nicht gelingen, 2012 den Euro einzuführen. Ludwik Kotecki, der stellvertretende Finanzminister, gab dieser Tage bekannt, dass Warschau das selbst gesetzte Ziel deutlich verfehlen werde.

Der Hauptgrund für das Scheitern sei die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise. Wem diese Erklärung zu vage ist, der kann seit wenigen Tagen auf der Internetseite des Finanzministeriums einen „Konvergenzmonitor“ anklicken und sich ein genaues Bild der schwierigen Lage machen. Anhand bunter Grafiken und verwirrender Tabellen wird minutiös erklärt, welche Beitrittskriterien Polen erfüllt und welche nicht. Eine zentrale Information fehlt aber neuerdings: Das Zieldatum für die Einführung des Euro wird nicht mehr genannt.

Premierminister Donald Tusk persönlich hatte im vergangenen Herbst die kühne Erwartung geweckt, dass die Fans und Gäste bei der Fußballeuropameisterschaft 2012 in Polen bereits mit Euro bezahlen könnten. Zum Zeitpunkt seines Versprechens konnte Polen freilich noch mit einem stabilen Wachstum von über fünf Prozent aufwarten. Selbst Kritiker sprachen von einem ehrgeizigen, aber realisierbaren Datum für den Beitritt zum Euroraum. Dann aber brach die Finanzkrise mit kaum erwartbarer Wucht auf fast alle Volkswirtschaften der Welt nieder.

Polen schafft kleines Plus

Da die Banken in Polen äußerst solide gewirtschaftet hatten, glaubten Experten und Politiker in Warschau überraschend lange, von der Krise einigermaßen verschont zu bleiben. Noch im Mai des heurigen Jahres hatte Finanzminister Jacek Rostowski die Einführung des Euro für das Jahr 2012 als „realistisch“ bezeichnet.

Aber natürlich geriet auch Polen in den Abwärtssog. Die Erwartungen für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes mussten mehrere Male nach unten korrigiert werden. Inzwischen kann sich Warschau nur noch rühmen, als einziger EU-Staat nicht in eine tiefe Rezession zu rutschen.

Nach Schätzungen von verschiedenen Wirtschaftsinstituten wird das Wirtschaftswachstum in Polen in diesem Jahr noch knapp ein halbes Prozent betragen. Trotz dieses Silberstreifens am Horizont wird auch Polen im Kampf gegen die Krise seine Haushaltsausgaben deutlich erhöhen müssen und rechnet zugleich mit deutlich geringeren Steuereinnahmen.

Das Finanzministerium in Warschau erklärte, dass Polen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres bereits 90 Prozent des erwarteten Defizits von rund 4,3 Mrd. Euro erreicht habe. Die EU-Kommission rechnet in diesem Jahr für Polen mit einer Neuverschuldung von 6,6 Prozent – und hat prompt ein Defizitverfahren gegen Warschau eingeleitet.

Erste Anzeichen, dass das Datum 2012 für den Beitritt zur Eurozone kaum mehr zu halten war, gab es bereits vor einigen Monaten. Polen wollte im ersten Halbjahr dieses Jahres dem Wechselkursmechanismus II (ERM II) beitreten, was als erster Schritt zur Übernahme des Euro gilt, verzichtete aber auf diesen entscheidenden Einschnitt.

Experten: Euro nicht vor 2014

Geplant ist nun, im kommenden Monat einen Nationalen Plan zur Einführung des Euro zu verabschieden – auch dies hätte bereits im Frühjahr geschehen sollen.

Polnische Finanzexperten reagierten erleichtert auf die Ankündigung der Regierung, sich nun auch offiziell von dem ehrgeizigen Plan zu verabschieden. Ryszard Petru, Chefökonom der BRE Bank, erklärte der polnischen Nachrichtenagentur PAP: „Diese Mitteilung ist schlicht die Bestätigung der Realität.“

Er glaubt, dass sich die Situation der polnischen Wirtschaft nicht vor dem Jahr 2011 wieder entspannen wird. Der Finanzexperte hält es für realistisch, 2012 dem Wechselkursmechanismus II beizutreten und den Euro im Jahr 2014 einzuführen.

Auf einen Blick

Polens Euroeinführungverschiebt sich. Der Termin 2012 ist nicht mehr zu halten. Das gibt nun auch die Regierung Tusk offiziell zu. Experten sehen Polen nicht vor 2014 als Teil der Eurozone. Grund ist die Wirtschaftskrise, obwohl sie Polen relativ schwach trifft: Heuer geht sich sogar ein geringes Wachstum aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2009)

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