Ungarn: „Öffentlichkeit“ gegen Banken

Ungarns Ministerpräsident Gordon Bajnai.
Ungarns Ministerpräsident Gordon Bajnai.(c) AP (Bela Szandelszky)
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Geldinstitute und andere Finanzdienstleister werden mehrfach unter Druck gesetzt, zum „freiwilligen“ Verhaltenskodex kommen empfindliche Geldstrafen.

BUDAPEST/WIEN. PSZÁF – die ungarische Finanzmarktaufsicht hat nicht nur eine unaussprechliche Abkürzung, sondern auch eine unmögliche Aufgabe. Sie soll alle Banken dazu bringen, „freiwillig“ einen Verhaltenskodex zu unterschreiben – um dann bestraft werden zu können. Bei dieser Mission hat der vor Kurzem neu bestellte PSZÁF-Chef Ádám Farkas einen mächtigen Verbündeten gefunden: Die wichtigste „zwingende Kraft“ sei die Öffentlichkeit, sagte er.

Unter dem Druck dieser Öffentlichkeit, formuliert von Ministerpräsident Gordon Bajnai beim Bankengipfel Mitte Juli, fanden sich die Banken zu Gesprächen über den Verhaltenskodex bereit. Nach langem Ringen erfolgte die Einigung mit der Finanzmarktaufsicht, aber erst nach dem Rücktritt von Verbandschef Péter Felcsuti, der im Trommelfeuer der Medien zum Buhmann der Nation geworden war. Öffentlich teilt nur einer seine Einwände, der Chef der Ungarn-Niederlassung der Axa-Bank, Tibor Szekeres: Der Kodex sei überflüssig. Es würde reichen, wenn alle Finanzdienstleister die Gesetze einhielten und die Behörden einzelne schwarze Schafe bestraften.

Unter dem Druck der Öffentlichkeit haben bis Montagabend schon 53 Institute den Kodex unterschrieben – Banken, Spar- und Kreditgenossenschaften sowie die beiden Bausparkassen, aber nur wenige Leasingfirmen und Kreditvermittler. Der Kodex tritt am 1. Dezember in Kraft. Bis dahin halten sich alle an ein Moratorium, das sie Mitte Juli mit Bajnai ausgehandelt haben: Sie ändern keine Kreditbedingungen.

Urteile wegen Kartellbildung

Inzwischen müssen sechs der Großbanken, unter ihnen die Erste-Tochter, in einen anderen sauren Apfel beißen. Sie wurden gemeinsam mit MasterCard und Visa zu saftigen Geldstrafen verurteilt. Sie haben ab 1997 die Höhe jener Gebühr vereinbart, die sie bei Transaktionen mit Bankomatkarten gegenseitig verrechnen. Diese „Multilateral Interchange Fee“ (MIF) ist die Grundlage der Transaktionsgebühren, die dem Handel verrechnet werden.

Die beiden Kartenunternehmen müssen je 477 Millionen Forint (fast 1,8 Mio. Euro) zahlen, die Erste Bank 107 Mio. Forint. Fast dreimal so hoch fiel die Geldbuße für das größte Geldinstitut des Landes, die ehemalige Landessparkasse OTP, aus. Insgesamt zahlen die acht „Sünder“ 1,9 Mrd. Forint. MasterCard hat bereits rechtliche Schritte angekündigt.

Nationalbank war informiert

Die Banken fühlen sich ungerecht behandelt, hätten sie doch stets mit Wissen und unter Mitwirkung der Ungarischen Nationalbank kooperiert. Sie meinten in einer gemeinsamen Erklärung: MIF decke die bei Banken und Kartengesellschaften anfallenden Kosten der Transaktionen, womit die Benützung der Karte für Konsumenten kostenlos sei. Die Gebühr sei „in den meisten europäischen Ländern und weiters in zahllosen Ländern der Welt“ üblich. Sie habe viel dazu beigetragen, dass Ungarns Banken „in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten ein zuverlässig funktionierendes Bankomatsystem auf Weltniveau ausbauen konnten“.

Das sieht die viel zitierte Öffentlichkeit auch. Aber bestraft wurde ja nicht das Bankomatsystem, sondern das MIF-Kartell, das laut Wettbewerbsbehörde den Wettbewerb zwischen den Kartengesellschaften verhindert hatte. Was nach Ansicht der kleinen Händler zu überhöhten Gebühren führte. Die Banken kassieren je nach Größe des Handelspartners zwischen 1,5 und 2,5 Prozent der Transaktionssumme. György Géresi, Vizepräsident des Verbandes Iposz, hielte 0,5 Prozent für akzeptabel. Dann müssten die Gebühren nicht auf die Konsumenten überwälzt werden. Dieser letzte Satz war auch für die Öffentlichkeit bestimmt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2009)

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