Infrastruktur: „Der Semmering-Tunnel ist sinnvoll“

'Semmering - über den Zauberberg'.
'Semmering - über den Zauberberg'.ORF/Dieter Nagl
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Eine bessere Zugtechnik allein könne den Ausbau der Bahninfrastruktur nicht ersetzen, sagt Josef Doppelbauer, Technikvorstand der Bahnsparte des kanadischen Bombardier-Konzerns.

Wien. Ende April erfolgte mit dem Semmering-Basistunnel auch beim dritten der drei großen ÖBB-Tunnelprojekte (neben dem Semmering noch Koralm und Brenner) der Spatenstich. Und wie die beiden anderen Projekte ist auch jener Tunnel, der die über 150 Jahre alte Ghega-Strecke ersetzen und mindestens 3,1 Mrd. Euro kosten wird, nicht unumstritten. So plädieren Tunnelkritiker immer wieder dafür, dass die Bahn stattdessen auf Neigezüge setzen sollte, die auch bei kurvenreichen Bergstrecken höhere Geschwindigkeiten erlauben.

Zug sollte das Flugzeug schlagen

Für Josef Doppelbauer, den Technikvorstand der Bahnsparte des kanadischen Bombardier-Konzerns, ist dies jedoch keine taugliche Lösung. „Durch Neigetechnik kann die Lebensdauer der Infrastruktur verlängert werden. Vollständig ersetzen kann man Tunnels dadurch aber nicht“, sagt Doppelbauer im Gespräch mit der „Presse“. So produziert Bombardier zwar Züge mit Neigetechnik für die Schweizer Bundesbahnen, die dort auch zu einer Zeitersparnis auf der Strecke führen. Dabei ginge es aber nur um wenige Minuten, die für die Schweizer Bundesbahnen jedoch zur Einhaltung ihres Taktfahrplans notwendig seien.

Die erwartete Zeitersparnis von vierzig Minuten zwischen Wien und Graz, die der Semmeringtunnel bringen soll, könne so niemals erreicht werden. „Der Semmering-Basistunnel ist strategisch daher auf jeden Fall sinnvoll“, so Doppelbauer. Bei der Zugtechnik gebe es zwar laufende Fortschritte. So könnten die Abstände zwischen zwei Zügen durch moderne Sicherheitstechnik vermindert und die Kapazität von Bahnstrecken erhöht werden.

Ein fehlender Ausbau der Infrastruktur könne aber grundsätzlich nicht durch die Zugtechnik ersetzt werden. Wo dieser Ausbau erfolgen muss, sei jedoch Thema der Politik, die letztendlich dafür auch das Geld bereitstellen muss. „Bis zu einer Entfernung von 800 Kilometern beziehungsweise drei Stunden reiner Fahrtzeit sollte die Bahn aber dem Flugzeug den Markt abgraben“, meint Doppelbauer.

Fahrerlose U-Bahn für Wien?

Als positive Vorbilder für diese Entwicklung sieht der Bombardier-Manager die aufstrebenden Länder Asiens, in denen die Bahn einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der zunehmenden Verkehrsprobleme leistet. Dies gilt dort nicht nur im Fernverkehr, sondern vor allem auch innerhalb der Städte.

Da jedoch das Geld für teure U-Bahnen fehle, würden vermehrt sogenannte Mono-Rails gebaut werden. Das sind Stadtbahnen, bei denen die Infrastruktur sich auf eine simple Betonhochbahn reduziert, die gesamte Technik steckt dabei in den Zügen.

„Gerade in stark wachsenden Städten, etwa in China oder Indien, sind Mono-Rails eine gute Möglichkeit, um billig eine Stadtbahn zu bauen“, sagt Josef Doppelbauer.

Ein weiterer Trend, der vor allem in Asien zu beobachten sei, ist der Übergang zum vollautomatischen Betrieb. Außer den Passagieren befindet sich also keine Person mehr im Zug, das Anfahren und Halten wird per Computer erledigt und nur noch von einer Leitzentrale überwacht. Dies sei auch bei allen bestehenden U-Bahnen möglich, wenn die Bahnsteige mittels automatischer Glastüren abgesichert werden, die sich nur dann öffnen, wenn ein Zug in der Station steht.

In Kopenhagen wurde diese vollautomatische U-Bahn bereits umgesetzt. „Ein fahrerloser Betrieb ist kein Problem, auch nicht in Wien. Die Gründe, warum das nicht gemacht wird, sind einerseits das subjektive Sicherheitsgefühl der Passagiere, andererseits aber auch die Sorgen der Gewerkschaft. Diese fürchtet um Arbeitsplätze“, sagt Doppelbauer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2012)

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