Zwölf-Stunden-Tag ist schon Realität

Metallarbeiter haben schon jetzt Arbeitstage, die ganz legal zwölf Stunden dauern können.
Metallarbeiter haben schon jetzt Arbeitstage, die ganz legal zwölf Stunden dauern können.(c) Clemens Fabry
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Soll die tägliche Maximalarbeitszeit auf zwölf Stunden angehoben werden? Schon jetzt gibt es Ausnahmen. Der Wirtschaftskammer geht das nicht weit genug.

Wien. Die Debatte um die Verlängerung der täglichen Maximalarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden ist – schließlich ist Wahlkampf – nach wie vor am Kochen. Am Montag sprachen sich Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Gewerkschafter Wolfgang Katzian (GPA-djp) erneut gegen eine Flexibilisierung aus, wie die ÖVP sie fordere. Es gebe schon genügend Ausnahmeregelungen, so Katzian.

Katzian: „Das ist Lohnraub“

Der ÖVP gehe es im Kern darum, die finanzielle oder zeitliche Abgeltung für Mehrarbeit – etwa in Form von Überstundenzuschlägen oder Gleitzeit – infrage zu stellen, meint Katzian. „Das ist Lohnraub.“ Hundstorfer betonte, dass Österreich mit 41,8 Wochenstunden nach Großbritannien die zweitlängste Arbeitszeit und eines der flexibelsten Arbeitszeitgesetze der EU habe. „Ein Zwölfstundentag, wie ihn sich die ÖVP vorstellt, führt zu direkten Lohnkürzungen“, so Hundstorfer.

Eine flexible Arbeitszeitgestaltung sei auf Basis bestehender Kollektivverträge schon möglich, sagte Manfred Klausberger, stellvertretender Betriebratsvorsitzender der BMW-Motorenwerke in Steyr. So werde etwa Arbeit in der Nacht höher bewertet und bringe eine kürzere Schicht bei vollem Lohnausgleich. „Dass Menschen zwölf Stunden durcharbeiten ist bei uns aber völlig undenkbar.“

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Fakt ist aber, dass es schon jetzt etliche Ausnahmen gibt, in denen entweder über den Kollektivvertrag oder eine Betriebsvereinbarung die tägliche Arbeitszeit zwölf Stunden oder mehr betragen darf. Bei Schichtarbeit oder Bereitschaftsdienst etwa. Hier muss jedoch ein Arbeitsmediziner zuvor bescheinigen, dass die betreffende Tätigkeit in dieser Dauer medizinisch unbedenklich ist. Erlaubt sind zwölf Stunden Arbeitszeit pro Tag auch, wenn dem Unternehmen ohne Mehrarbeit ein wirtschaftlicher Nachteil droht. Auch bei einer Viertagewoche darf zwölf Stunden täglich gearbeitet werden. Sonderregelungen gibt es beispielsweise in den Kollektivverträgen der Sozialwirtschaft, der Nahrungs- und Genussmittelhersteller und der Metallindustrie.

Zuschläge: Mindestens 50 Prozent

Der entscheidende Punkt ist jedoch der Ausgleich für die Mehrarbeit. Denn nach dem Arbeitszeitgesetz gebührt für Überstunden ein Zuschlag von zumindest 50 Prozent. Die genaue Höhe des Zuschlages hängt von verschiedenen Kriterien ab: Etwa, wie viele Stunden am betreffenden Tag bereits gearbeitet wurden und zu welcher Tageszeit die Überstunde gemacht wird. Der Zuschlag fällt sowohl bei der Auszahlung der Überstunde als auch bei Zeitausgleich an. So kann eine Überstunde am Montag einen Zeitausgleich von 1,5 Stunden am Dienstag nach sich ziehen.

Auch Mischvarianten zwischen Geld und Zeitausgleich sind möglich. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können einvernehmlich festlegen, wie Überstunden abzugelten sind. Besteht keine solche Einzelvereinbarung, kann der Kollektivvertrag die Art der Abgeltung der Überstunden bestimmen.

Das Wirtschaftsministerium fühlt sich auf Rückfrage in Sachen Maximalarbeitszeit missverstanden: „Wir sind falsch interpretiert worden. Im Wahlprogramm steht lediglich, dass wir mehr Flexibilisierung wollen“, heißt es. Der Wirtschaftsminister habe die zwölf Stunden nur als eine Möglichkeit angesprochen. Das sei aber „nicht sakrosankt“. Klar sei, dass Überstunden weiter abgegolten werden müssten. Etwas konkreter wird man bei der Wirtschaftskammer: „Wir brauchen definitiv mehr Spielraum, um einen Arbeitstag über zehn Stunden möglich zu machen“, sagt Rolf Gleißner, WKO-Experte für Sozialpolitik.

Notwendig seien auch Anpassungen bei der Vergütung von Überstunden. „Die österreichischen Zuschläge fangen bei 50 Prozent an, Deutschlands bei 25 Prozent.“ Das sei in den Kollektivverträgen anzupassen. Ein großer Vorsatz. In Österreich gibt es 859 verschiedene Kollektivverträge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2013)

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