Sarkozy: „Wir müssen dieses System stoppen“

(c) EPA (Ali Haider)
  • Drucken

Finanzdebakel. SocGen-Händler Kerviel festgenommen, Politiker und Finanzexperten fordern schärfere Kontrollen.

Paris (red./ag). Der Milliardenbetrug in der französischen Großbank Société Générale (SocGen) hält Politik und Finanzwelt in Atem. Wie berichtet, soll der Händler Jérôme Kerviel knapp fünf Mrd. Euro verspekuliert haben. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy verurteilte am Wochenende hochriskante Spekulationsgeschäfte und forderte Gegenmaßnahmen: „Wenn wir innerhalb von Stunden Gewinne machen können, können wir auch riesige Verluste haben,“ sagte er. „Wir müssen dieses System, in dem es drunter und drüber geht, stoppen.“ Es sei an der Zeit, etwas „gesunden Menschenverstand in all diese Systeme zu injizieren“, meinte der Präsident.

Justiz: Kerviel ist kooperativ

Was genau Sarkozy zu tun gedenkt, ließ er allerdings offen. Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank, forderte im französischen Fernsehen jedenfalls schärfere Kontrollen: „Aus diesem Fall und anderen Betrugsfällen in großem Stil müssen wir die Lehre ziehen, dass eine Verschärfung der internen Kontrolle eine absolute Notwendigkeit ist.“ Ähnlich argumentierten Experten auch beim Weltwirtschaftsforum in Davos, das am Sonntag zu Ende ging.

Wie sehr die Affäre die wegen der US-Kreditkrise ohnehin schon nervöse Finanzwelt alarmiert hat, zeigt das Verhalten von Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank. Sofort nach Auffliegen des Milliardendesasters bei der SocGen habe er die zuständigen Stellen in seinem Haus angerufen, berichtet die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“. Ackermann veranlasste eine sofortige Überprüfung der internen Sicherheitssysteme der Deutschen Bank.

Kerviel hatte sich am Samstag der Polizei gestellt und wurde stundenlang verhört. Laut Staatsanwalt Jean-Michel Aldebert verhält sich der 31-jährige kooperativ. Heute, Montag, soll er einem Richter vorgeführt werden. Ein Rätsel bleibt, warum Kerviel derart gezockt hatte. Nach Angaben der SocGen hat er sich durch seine betrügerischen Geschäfte nicht persönlich bereichert. Durchsucht wird jetzt auch die Bankzentrale.

Wie bereits in der Wochenendausgabe der „Presse“ berichtet, soll Kerviel eine gigantische Wette auf den deutschen Börsenindex DAX aufgebaut haben. Bis zum 18. Jänner, als die Bankführung in Paris das Desaster entdeckte, hatte der DAX 600 Punkte verloren und Kerviel damit vermutlich rund zwei Mrd. Euro.

Angeblich erhielten die Pariser Bankenchefs Alarmsignale aus Deutschland, da einem Finanzdienstleister, der die Termingeschäfte abwickelt, die Verluste und die Überschreitung der Handelslimits aufgefallen war. Panisch hätten die Verantwortlichen in der SocGen darauf hin alle Position Kerviels liquidiert und die Verluste dadurch noch mehr als verdoppelt. Bank-Chef Daniel Bouton nennt diesen Vorwurf und die Vermutung, Kerviel habe nicht allein gehandelt „absurd“. Nach Darstellung Boutons habe Kerviel seine Vollmachten überschritten und mit seinen Geschäften mehr Geld eingenommen als ihm zugeordnet gewesen sei. Wie dies möglich gewesen sei, ließ Bouton offen.

Von Anfang Jänner an habe Kerviel jedenfalls versucht, mit vorsätzlichen Verlusten seinen Überschuss abzubauen, was lange gut gegangen sei. Der größte Kurseinbruch seit dem 11. September 2001 – er erschütterte zu Beginn der Vorwoche die Aktienmärkte – habe dann aber „aus dieser traurigen Angelegenheit eine griechischen Tragödie“ gemacht. Zweifel, dass Kerviel kein Einzeltäter war, verstummen dennoch nicht. „Das ist unmöglich“, schrieb die französische Zeitung „Libération“ am Sonntag. „Nur wenn er Einstein ist,“ meinte ein Experte.

Wird SocGen aufgeteilt?

Nach Meinung von Brancheninsider wird Bouton, der unmittelbar nach Auffliegen des Skandals seinen Rücktritt angeboten hatte, seinen Job nicht mehr lange behalten. Seit Tagen kursieren auch Gerüchte, wonach die Société Générale übernommen werden könnte. Damit die Bank nicht in ausländische Hände fällt – als Interessenten werden die italienische UniCredit (Mutter der BA-CA) oder die spanische Großbank Banco Santander genannt – könnte sie zwischen französischen Banken aufgeteilt werden. Laut einem Bericht des britischen „Observer“ soll das Filialnetz der SocGen an die BNP Paribas gehen, das Investmentbankgeschäft könnte der Crédit Agricole übernehmen.

AUF EINEN BLICK

Börsenhändler Jérôme Kerviel, der mit Dax-Futures fast fünf Mrd. Euro verspekuliert haben soll, hat sich der Justiz gestellt. Die Société Générale beharrt darauf, dass Kerviel ein Einzeltäter war und verteidigt ihre Verhalten.

Politiker und Finanzexperten fordern inzwischen schärfere Kontrollen, um derartige Betrugsfälle künftig zu vermeiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.