Kasachstan: Wintersport in der Steppe

Langlaufen in Astana.
Langlaufen in Astana.(c) Reuters (Shamil Zhumatov)
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Nahe der kasachischen Hauptstadt Astana planen die österreichischen Berater ATC ein Indoor-Freizeit-Zentrum.

Wien/Astana. Astana ist nicht nur die neue Hauptstadt von Kasachstan mit leuchtenden Bürotürmen und schicken Apartmentblöcken im Stalinschen Zuckerbäckerstil. Astana, so klagen Ausländer und manche Beamte in der Metropole, ist außerdem die Hauptstadt der Langeweile: Zentralasiatischer Glamour und Pomp – ohne Leben.

Als Präsident Nursultan Nasarbaev das Städtchen Akmola im Jahr 1997 feierlich zur neuen Hauptstadt des zentralasiatischen Staates erklärte, hatte er vor allem die nackten Zahlen im Kopf: mehr Einwohner, mehr Arbeitsplätze, mehr Investitionen.

Doch nun, elf Jahre später und mit einer halben Million Einwohner, regt sich in der aufstrebenden Hochhaus-Agglomeration Unmut. In Astana, so lautet die Kritik, könne man sich nicht amüsieren. Zu wenig Freizeiteinrichtungen gebe es in der Stadt und der näheren Umgebung – Astana liegt inmitten der flachen Steppe –, keine Ausflugsziele oder Orte für Sport und Kultur. Bisher half nur Abhauen: Wer es sich leisten kann, flog übers Wochenende in die frühere Hauptstadt Almaty.

Nichts zu tun für die Mittelklasse

Ein neues Projekt könnte die Probleme der Besserverdienenden lösen. „Mount Astana“ nennt sich das von der österreichischen Beraterfirma Austrian Tourism Consultants (ATC) geplante Freizeitzentrum. Den selbstgewissen Untertitel „Ein Projekt der Superlative“ trägt der Komplex nicht ganz zu Unrecht.

Geplant ist ein ganzjährig nutzbarer Freizeitpark, mit einem 80 Meter hohen Berg in der Mitte. Neben Skifahren sind Langlauf-Loipen, ein künstlicher See, ein Golf-Parcours und ein Funpark für Snowboarder vorgesehen – insgesamt soll das Zentrum Platz für 50 verschiedene Sommer- und Wintersportarten bieten, Hotels inklusive. Und das alles unter einer Haube, also Indoor. Denn bei Außentemperaturen von bis zu minus 40 Grad im Winter und plus 40 Grad im Sommer ist es unter freiem Himmel meistens eher ungemütlich.

Weil in und um Astana eine Freizeitwüste ist, glauben die Planer, dass es ausreichend Nachfrage für ihr Projekt gibt. „Die Leute verzweifeln dort“, sagt ATC-Gründer Walther Czerny. „Weil es dort nichts zu tun gibt.“ Touristen aus dem Ausland seien freilich – noch – Zukunftsmusik. Als Zielgruppe hat man vor allem den inländischen Markt im Visier, genauer gesagt: die wachsende Mittelklasse.

„Astana braucht sein Dome“, ist Czerny überzeugt. Aber eben nicht nur Bürotürme und Moscheen, sondern Freizeittempel: „Etwas Tages- und Abendfüllendes“, erklärt der Berater.

Die Entwicklung nicht ganz alltäglicher Projekte in der ehemaligen Sowjetunion und ihren Nachbarstaaten sind das Geschäft von ATC: Für Georgien designte man ein Helikopterskigebiet, in Sotschi plant man Pisten, in der Türkei entwirft man für das zentralanatolische Kayseri ein Skidorf nach alpinem Vorbild.

Die teure Neuinvestition – gesucht wird immerhin rund eine Milliarde Euro – verteidigen die Berater mit der schlechten Infrastruktur der restlichen Skigebiete. Der Wintersport hatte in der früheren Sowjetunion seinen sicheren Platz in Kasachstan. Die bestehenden Wintersportgebiete im Gebirge rund um Almaty wären aber veraltet – und „nicht so ausbaufähig“, erklärt Czerny. Bei „Mount Astana“ gehe es außerdem um ein „Rundumvergnügen“ – immerhin würden auch in Europa beim Wintersport Zusatzaktivitäten rund ums Skifahren immer wichtiger.

Derzeit touren die Österreicher mit der Präsentation von „Mount Astana“ von einem kasachischen Politiker zum nächsten. Und erhalten dabei, wie Czerny bekräftigt, gute Rückmeldungen. Wenn tatsächlich je ein Berg aus der Steppe gegraben wird, dann wohl als kasachisches Public-Private-Partnership. Was in Kasachstan so läuft: „Der Präsident schlägt das Projekt einem befreundeten Unternehmer vor“, erklärt Czerny. Wenn sich jemand mit dem nötigen Kleingeld findet, hält ATC die Realisierung bis 2013 möglich.

Ein Faible für Großprojekte

Unmöglich wäre das nicht. Denn in Kasachstan hat man ein Faible für ungewöhnliche Ideen. Was in Europa als Größenwahn abgestempelt wird, ist dort gerade gut genug.

„Mount Astana“ wäre nicht das erste Großprojekt, das unglaublich klingt – und gebaut wird. Da ist etwa das Entertainment-Center „Khan Shatyr“, das man derzeit nach einem Entwurf des britischen Architekten Norman Foster in Astana aus dem Boden stampft: ein Shopping- und Vergnügungszentrum in Zelt-Form, so groß wie zehn Fußballplätze.

Bis zur Fertigstellung dieser Mega-Projekte müssen die ausländischen Arbeitnehmer und die gut verdienenden Beamten ihre Freizeit noch recht altmodisch verbringen: etwa in den bulligen Themenpark-Restaurants am Stadtrand, die in ihrer Küche und Architektur den deutschen, koreanischen, russischen oder georgischen Stil imitieren. Auch in Astana ist das mittlerweile ein bisschen von gestern, aber so ist das nun einmal: Echte Dome entstehen nicht über Nacht.

Auf einen Blick

Die österreichische Tourismus-Beraterfirma ATC plant in der Nähe von Astana ein überdachtes Sportzentrum mit einem 80 Meter hohen Skiberg. Dort soll für 50 verschiedene Sportarten Platz sein. Derzeit ist man in Kasachstan auf Investorensuche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2008)

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