Wasser: Der Griff zur Flasche

Symbolbild Trinkwasser
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Kaum jemand trinkt noch Leitungswasser. Die Mineralwasserhersteller haben ein öffentliches Gut zum Lifestyleprodukt gemacht.

Wien. Er ist mittlerweile so selbstverständlich wie der Blick auf das Handy: der Griff zur Flasche. Nicht zum Alkohol, nein: zur Wasserflasche. Leitungswasser, das in Österreich höchste Qualität hat, hat praktisch ausgedient.

Die Mineralwasserhersteller befinden sich jetzt in der heißesten Phase des Jahres. Auf die Monate Juni, Juli und August entfällt ein Drittel des jährlichen Mineralwasserverbrauchs. Die Hersteller produzieren dann bis zu 50 Prozent mehr als an kalten Wintertagen. Bei Waldquelle, dem zweitgrößten heimischen Produzenten, hat sich der Mineralwasserverkauf gegenüber gewöhnlichen Tagen „verdreifacht bis vervierfacht“, sagt Waldquelle-Geschäftsführer Gerhard Forstner. Bei Hitze sei „dies aber nichts Besonderes“.

„Um diese Spitzenzeiten entsprechend abzudecken, müssen wir Kapazitäten freihalten, um lieferfähig zu sein“, sagt Vöslauer-Chef Alfred Hudler. Vöslauer fährt das ganze Jahr über einen Dreischichtbetrieb, produziert also rund um die Uhr. Im Sommer wird noch eine vierte Schicht am Wochenende eingeschoben: „Das ist dann die letzte Reserve.“

Der Handel verlangt den Mineralwasserherstellern einiges ab. Wasser ist eine der Produktgruppen, in denen am häufigsten Aktionen gemacht werden. Das verschärft die Lage für die Hersteller, weil der Absatz in Aktionsperioden sprungartig ansteigt. Da Mineralwasser ein Produkt mit saisonalen Schwankungen ist, schwankt der Bedarf an Mitarbeitern entsprechend. „Wir versuchen aber, das konstant zu halten, indem die Mitarbeiter in absatzschwächeren Zeiten zum Beispiel die Wartungsarbeiten machen“, sagt Hudler.

In Österreich ist Vöslauer mit 41 Prozent Marktanteil Marktführer vor Waldquelle mit 15 und Römerquelle mit 13 Prozent. Obwohl der Markt im Jahr 2014 wegen des kalten Sommers um 2,7Prozent geschrumpft ist – 2014 wurden in Österreich 750 Millionen Liter produziert –, ist der Mineralwassermarkt auf lange Sicht gesehen eine Wachstumsbranche. Der Konsum pro Kopf hat sich seit 1970 von sechs auf über 90 Liter im Jahr 2014 verfünfzehnfacht.

Mehr Müll für unterwegs

Wasser ist zum Lifestyleprodukt geworden. Die Branche hat einige Trends – zur bewussten Ernährung, weniger Zucker, Essen und Trinken „on the go“ – geschickt aufgegriffen, indem sie zum Beispiel kleinere Gebindegrößen eingeführt hat. Vöslauer verkauft bereits 30 Prozent in Kleingebinden, vor zehn Jahren waren es elf Prozent. Dass das der Umwelt wegen des vermehrten Plastikmülls nicht gerade zuträglich ist, nimmt die Branche – der Kunde will es ja so – in Kauf.

Fast ausschließlich in kleinen Gebindegrößen werden die sogenannten Near-Water-Getränke verkauft. Die mit Geschmack versetzten Wässer machen etwa bei Vöslauer bereits ein Drittel des Umsatzes aus (2014: 96,5 Mio. Euro). Sonst geht der Trend immer noch in Richtung stiller Wässer. „Der Anteil der Wässer ohne Kohlensäure ist auch im vergangenen Jahr um sechs Prozent gestiegen. Im Gesamtmarkt liegt er bei 17, bei Vöslauer bei 28 Prozent“, sagt Hudler.

(C) DiePresse

Inspiriert vom Ausland

Stilles Wasser ist in Österreich im Vergleich zu Ländern wie Frankreich oder Italien relativ spät aufgekommen: Ende der Neunzigerjahre. „Damals hat mich Herr Plachutta (vom gleichnamigen Wiener Restaurant, Anm.) darauf aufmerksam gemacht, dass immer mehr Gäste – inspiriert von ihrem Urlaub im Ausland – nach stillem Wasser fragen. Wir waren dann die Ersten, die in Österreich damit auf den Markt gekommen sind“, erzählt Hudler. Neben dem Handel, über den Vöslauer rund 92 Prozent seiner Wässer absetzt, ist die Gastronomie eine wichtige zweite Vertriebsschiene, die wegen des Werbeeffekts gepflegt wird.

Obwohl der Trend zum stillen und geschmacksneutralen Wasser anhalte, sei Österreich immer noch ein Land der Kohlensäureliebhaber, sagt der Vöslauer-Chef. „Es wird gern aufgespritzt.“ Die Konkurrenz vom auch hierzulande immer populärer werdenden Selbstsprudler Soda Stream fürchtet Hudler nicht: „Das hat bisher keinen spürbaren Effekt auf uns.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2015)

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