Chinas neuer Mann fürs Geld

Der neue chinesische Finanzminister, Xiao Jie, übernimmt zu einem kritischen Zeitpunkt. Chinas Wirtschaft schwächelt.
Der neue chinesische Finanzminister, Xiao Jie, übernimmt zu einem kritischen Zeitpunkt. Chinas Wirtschaft schwächelt.(c) REUTERS (CHINA STRINGER NETWORK)
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Peking tauscht überraschend den Finanzminister aus. Xiao Jie, der neue Mann, gilt als Steuerexperte. Er könnte Immobiliensteuern einführen, um den Häusermarkt abzukühlen.

Peking/Wien. Es gab am Montag nur ein kurzes Statement: Der alte Minister geht, der neue kommt. Die chinesische Zentralregierung schickt Finanzminister Lou Jiwei in Pension und ersetzt ihn durch den sechs Jahre jüngeren Xiao Jie. Einen konkreten Grund für den Wechsel nannte Peking nicht.

Lou war seit März 2013 Finanzminister und gilt als erfahrener Reformer. Zu Beginn seiner Amtszeit erlebte die Volksrepublik einen Börsenboom – auf den Anfang dieses Jahres ein Kurseinbruch folgte. Als Vizeminister von 1997 bis 2008 war Lou mitverantwortlich für die Neugestaltung der chinesischen Wirtschaft, die dem Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO im Jahr 2001 vorangegangen war. Später fungierte er als Chef des chinesischen Staatsfonds.

Lou gilt als einer der wichtigsten finanzpolitischen Akteure im Land – neben Notenbankchef Zhou Xiaochuan. Auch auf der internationalen Bühne ist er mehrfach aufgefallen. So kritisierte er sowohl die handelspolitischen Ideen von Donald Trump als auch Aussagen des US-Finanzministers Jack Lew. Dieser hatte sich kritisch über die chinesische Industriepolitik geäußert – im Zusammenhang mit der Stahlproduktion.

Als Finanzminister gilt die Wiedererlangung der Kontrolle über die ausufernden Schulden der Regionen als Lous größte Leistung. Nachdem viele Regionen sich nach der Finanzkrise über fragwürdige Kanäle in enorme Schulden gestürzt hatten, versorgte sie Lou mit einer neuen, offiziellen Geldquelle und machte der Schuldenorgie ein Ende. Gleichzeitig hat er aber nicht alles erreicht, was er sich vorgenommen hat.

Unbeschriebenes Blatt

„Lou hat ein paar wichtige Fiskalreformen durchgedrückt, aber er hinterlässt trotzdem viele Reformbaustellen“, sagte Eswar Prasad der Nachrichtenagentur Bloomberg. Prasad ist ein ehemaliger Chef der China-Abteilung beim Internationalen Währungsfonds IWF. „Sein Nachfolger, Xiao Jie, hat keine große Erfahrung mit Fiskalpolitik. Ob er den Einfluss mitbringt, um weitere Reformen durchzudrücken, werden wir erst sehen.“

Xiao ist Doktor der Ökonomie und ein Veteran im Finanzministerium. Angefangen hat er als einfacher Beamter in der Abteilung für langfristige Planungen. Ab 2001 war er Vizeminister, dann Vizegouverneur der Provinz Hunan und später Chef der nationalen Steuerbehörde. Zuletzt war er als stellvertretender Generalsekretär des Staatsrats tätig. Der Staatsrat ist sozusagen das chinesische Regierungskabinett. Xiaos Ruf als Steuerexperte weist bereits in eine Richtung für seine Politik: So hat er sich bereits wiederholt für die Einführung von Immobiliensteuern ausgesprochen, um den überhitzten Häusermarkt in China abzukühlen.

Währungsreserven schmelzen

Dies könnte also einer seiner ersten Schritte als Finanzminister werden, um einer Blasenbildung bei den Immobilien vorzubeugen. Gleichzeitig erwarten Beobachter auch Steuerentastungen für andere Sektoren der Wirtschaft. Allerdings dürfte so ein Schritt für großen Unmut innerhalb der Partei sorgen, in der sich längst genug Immobilienbesitzer wiederfinden.

Viele Beobachter sehen in Lous Abberufung aber auch ein Signal, dass die Regierung wieder eine aktivere Rolle bei der Wirtschaftsankurbelung übernehmen soll. Denn die geldpolitischen Mechanismen scheinen ausgereizt. So sind die chinesischen Währungsreserven im Oktober deutlich stärker gefallen als erwartet.

Die Zentralbank verkauft seit Monaten US-Dollar um die eigene Währung, den Renminbi, zu stützen. Gleichzeitig versucht die Zentralbank in Zusammenarbeit mit der Regierung, den Abfluss von Kapital zu bremsen – allerdings mit mäßigem Erfolg. Die Kapitalflucht hält an, obwohl die Wirtschaft sich zuletzt wieder stabilisiert hat.

Der Berg an chinesischen Währungsreserven ist zuletzt auf 3,12 Billionen Dollar geschrumpft. Das ist der niedrigste Stand seit März 2011. Zwar hält China immer noch mehr Reserven als irgendein anderes Land, aber der Vorrat wird wohl weiter schrumpfen. Experten erwarten eine weitere Abwertung des Renminbi um mindestens zwei Prozent gegenüber dem Dollar. (red.)

Auf einen Blick

Xiao Jie (59) ist der neue Finanzminister Chinas. Er übernimmt von Lou Jiwei, der mehr als drei Jahre im Amt war. Lou hat das Schuldenproblem der chinesischen Regionen in den Griff bekommen, hinterlässt aber viele offene Baustellen. Steuerexperte Xiao wird sich wohl des heiklen Themas Immobiliensteuern annehmen. So will Peking offenbar den heiß gelaufenen Immobilienmarkt abkühlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2016)

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