Handel will digital werden, weiß aber nicht wie

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Der klassische Handel kann den eigenen Umbruch der kommenden Jahre sehr schlecht abstecken. Branchenvertreter müssen ihre Mahnungen vage halten. Onlinehändler wie Zalando strecken die Fühler nach Kooperationen aus.

Wien. 38 Fußballfelder oder 270.000 m2. Diese Fläche hat Österreichs Einzelhandel seit dem Vorjahr eingebüßt. Ein Seitenblick: Im US-Weihnachtsgeschäft besuchten 2010 38 Milliarden Menschen die Shops. 2014 waren es 20 Milliarden weniger. Gleichzeitig stieg der Umsatz im klassischen Handel von 641 auf 737 Mrd. Dollar.

Was österreichische Branchenvertreter daraus ableiten? Traditionsläden gerieten durch die steigende Onlineaffinität der Kunden und Konkurrenten wie Amazon und Zalando unter Druck. Eine Verschränkung von digitalem und realem Shoppingerlebnis rette sie aber – etwa wenn sich Menschen online informieren und später dennoch wie in den USA im Shop einkaufen.

Eine am Mittwoch veröffentlichte Studie des Handelsverbands führt aber das aktuelle Dilemma vor Augen: In einer Branche, in der zwar zwölf Prozent der Verkäufer angeben, Onlineshops zu betreiben, sich aber kein klarer Onlineanteil am Gesamtumsatz herausdestillieren lässt, sind die Wünsche auf der Käuferseite ebenso im Umbruch wie die Verkaufskanäle.

Momentaufnahmen

Auf die selbst gestellte Frage: „Wie sieht der Handel 2025 aus?“ kann Handelsverbands-Chef Rainer Will dementsprechend nur Momentaufnahmen präsentieren: Zwei Drittel der onlineaffinen Österreicher kaufen mindestens einmal im Monat im Internet ein. Warenlieferungen in den Kofferraum und Selbstbedienungskassen werden eher abgelehnt. Und viele Nutzer fremdeln noch mit der Vorstellung digitaler Einkaufsassistenten, in die Apple mit Siri und Amazon mit Alexa große Hoffnungen legen. Interessant, aber auch Will kann daraus nur den Rat ableiten: „Man muss das Spiel mitspielen.“ Und er hängt eine Forderung in Richtung Politik an. Eine Lehre für den digitalen Händler müsse her. Die gibt es derzeit nur als abgespeckten Piloten – in Deutschland ist sie schon Realität. Die Nachfrage der Konzerne nach digital ausgebildeten Fachkräften sei aber deutlich vernehmbar.

Auf der Suche nach onlineaffinen Jungen ist auch das ehemalige Berliner Start-up Zalando – heute hat es 10.000 Mitarbeiter. Von Start-up spricht keiner mehr, genauso wenig vom reinen Onlinehändler. Seit einigen Monaten lautet die Eigendefinition Modeplattform. Gemeinsam mit dem Softwarehersteller Gaxsys hat man eine Initiative lanciert, bei der Einzelhändler ohne gute eigene IT mit wenig technischem Aufwand an die Zalando-Plattform angeschlossen werden. Der Onliner zahlt Provision an den Softwarebetreiber, die Händler zahlen bei erfolgtem Verkauf an Zalando – und so sei jeder in ein besseres, flexibleres Logistiknetz eingebettet, rechnet man in Berlin vor.

Christian Kittl, Autor der Handelsverband-Studie, sagt zum Testballon: „Im Onlinebereich versuchen viele Akteure die eigene Hand auf die des anderen zu legen.“ Wer am Ende gewinnt, sei völlig offen. Philipp Kannenberg von Gaxsys sieht eine „Riesenchance für den Handel, an der großen Reichweite zu partizipieren. Wer offen für Lösungen wie von Zalando ist, hat eine Chance – und eine Daseinsberechtigung.“ Rainer Will sieht das Modell mit Vorsicht. Als Nebenverkaufskanal sei es denkbar, allein schaffe es nur Abhängigkeit. (loan)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2016)

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