Französischer Wahlkrimi macht Schweizer Notenbank nervös

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Spekulationen über einen Wahlsieg der europakritischen Kandidatin Marine Le Pen setzen den Euro unter Druck - und machen den Franken als "sicheren Hafen" für Anleger attraktiv.

Die jüngsten milliardenschweren Markteingriffe der Schweizerischen Nationalbank wecken ungute Erinnerungen. Denn die Zentralbank muss derzeit so viel Geld ausgeben, um eine wirtschaftsschädliche Aufwertung des Franken zu verhindern, wie nach der Aufgabe des Euro-Mindestkurses vor rund zwei Jahren nicht mehr. Schuld sind die anstehenden Wahlen in Frankreich. Spekulationen über einen Wahlsieg der europakritischen Kandidatin Marine Le Pen setzen den Euro unter Druck - und machen den Franken als "sicheren Hafen" für Anleger attraktiv. Entspannung ist nicht in Sicht, denn eine Entscheidung in Frankreich steht erst im zweiten Wahlgang Anfang Mai an. Experten erwarten daher, dass die SNB auch in den kommenden Wochen Milliarden ausgibt, um den Franken zu schwächen. Mit weiteren Schritten - etwa einer Zinssenkung bei ihrer Sitzung am 16. März - rechnen die meisten von ihnen jedoch nicht.

Pro Woche belaufen sich die Interventionen der SNB derzeit auf etwa fünf Milliarden Franken - in den vergangenen vier Wochen waren es zusammengenommen rund 18 Milliarden Franken. Selbst im Zuge des überraschenden Brexit-Votums und der Wahl von US-Präsident Donald Trump griff die SNB über einen Zeitraum von vier Wochen nicht in dieser Höhe ein. "Ich kann mir vorstellen, dass das Unbehagen relativ groß ist", sagte der Anlagechef der St. Galler Kantonalbank, Thomas Stucki, der früher bei der SNB für die Verwaltung der Devisenreserven zuständig war. Deutlich mehr hatte die SNB zuletzt bei der Aufgabe des Euro-Mindestkurses ausgegeben. Damals sahen sich die Währungshüter zur Abkehr von dem Wechselkursziel gezwungen, weil die Geldschwemme durch die EZB den Euro massiv unter Druck gesetzt hatte und die SNB sehr viel Geld zur Verteidigung des Mindestkurses ausgeben musste.

Ablesbar ist der Umfang der Interventionen - mit einigen Einschränkungen - an den jeweils am Montag veröffentlichten Daten zu den Sichteinlagen von Bund und Banken bei der Zentralbank. Wenn die SNB die Schweizer Währung schwächen will, druckt sie Franken und kauft damit am Devisenmarkt andere Währungen wie Euro oder Dollar. Den entsprechenden Gegenwert schreibt sie den Banken auf deren SNB-Konten gut.

Nur nicht an Frexit denken

Die erste Wahlrunde in Frankreich findet am 23. April statt, die zweite Runde am 7. Mai. Umfragen zufolge dürfte es Le Pen zwar in die Stichwahl schaffen, dort aber das Nachsehen haben. Doch viele Investoren trauen Umfragen nicht mehr - zumal sie auch vom Brexit und der Wahl Trumps überrascht wurden. Le Pen macht sich für eine Abstimmung über einen EU-Ausstieg Frankreichs stark - und allein die Vorstellung eines solchen "Frexits" sorgt für Nervosität und lastet auf dem Euro. Hinzu kommt die Aussicht auf möglicherweise bald steigende Zinsen in den USA, die die Gemeinschaftswährung weniger attraktiv macht.

Die SNB selbst hatte unlängst vor politischen Risiken gewarnt: "Wichtige Wahlen in Frankreich und Deutschland stehen an, die politische Entwicklung in Italien ist unklar", sagte SNB-Präsident Thomas Jordan der "Schweiz am Wochenende". "Solche Phasen erhöhter politischer Unsicherheit sind für uns immer heikel, da die Schweiz verstärkt als sicherer Hafen betrachtet wird." Allerdings habe die Notenbank genug Spielraum, um auf weitere Schocks zu reagieren. Eine Änderung der Geldpolitik sei derzeit nicht geplant.

Neben Interventionen hat die SNB Negativzinsen von minus 0,75 Prozent eingeführt, um den aus ihrer Sicht überbewerteten Franken für Anleger unattraktiv zu machen. Denn ein starker Franken macht Schweizer Waren im Ausland teuer und bremst damit die Exporte und die Wirtschaft.

Kritische Töne aus den USA

Im Ausland stoßen die Interventionen der SNB auf Kritik: Die USA führen die Schweiz in einer halbjährlich publizierten Beobachtungsliste als möglichen Währungsmanipulator - neben Ländern wie China, Japan und Deutschland. Das US-Finanzministerium hat dabei drei Kriterien im Blick: den Umfang der Interventionen, den Leistungsbilanzüberschuss und den Handelsbilanzüberschuss mit den USA. Sobald ein Land bei allen drei Richtgrößen gewisse Schwellenwerte übersteigt, schlagen die Beobachter in den USA Alarm. Das ist bei der Schweiz zwar noch nicht der Fall; doch wenn die Exporte der Alpenrepublik in die USA weiter anziehen und der bilaterale Handelsbilanzüberschuss 20 Milliarden Dollar übersteigt, sind die Kriterien erfüllt und es drohen im schlimmsten Fall Sanktionen. Im Vorjahr lag er bereits bei 17,2 Milliarden Franken (17,1 Milliarden Dollar).

SNB-Chef Jordan wehrt sich in dem Interview mit der "Schweiz am Wochenende" gegen den Vorwurf: "Wenn wir intervenieren, tun wir das nicht, um der Schweiz Vorteile durch eine unterbewertete Währung zu verschaffen."

(Angelika Gruber/Reuters)

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