Händler auf dem Land überleben auch ohne Facebook-Werbung

WU-Professor Schnedlitz und Rewe-Chef Hensel.
WU-Professor Schnedlitz und Rewe-Chef Hensel.(c) Stanislav Jenis
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Die digitale Revolution ist auch im Handel bereits Realität. Angst muss davor aber niemand haben, sind Experten einig.

Wien. Zum täglichen Lebensmitteleinkauf hat jeder eine Meinung, zu seiner Zukunft zumindest eine mehr oder weniger erfreuliche Vorstellung – Lieferdrohnen, menschenleere Supermarktgänge und Roboterkassiererinnen inklusive. So war der Altersschnitt niedrig und der Ansturm im Festsaal der Wirtschaftsuniversität Wien besonders groß, als dort die „Perspektiven auf den Marktplatz der Zukunft“ diskutiert wurden. „Die digitale Revolution ist fester Bestandteil des Alltags“, sagte Rewe International Chef Frank Hensel. Die vielen teils widersprüchlichen Trends wie Regionalität, Globalisierung, Nachhaltigkeit, Fast Food und Preisbewusstsein ließen im Handel keinen Platz mehr für Gemütlichkeit. Früher habe man die Filialen alle 15 Jahre umgebaut und die Entwicklungen des Mitbewerbers Spar scharf im Auge gehabt. Heute hingegen müssten Lebensmittelhändler permanent und systematisch Produkte und Ladenkonzepte auf der ganzen Welt testen, sagte Hensel im Rahmen der von „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak moderierten Diskussionsreihe „Wirtschaft Wissenschaft Unplugged“.

„Sonst sind wir weg vom Fenster“

30 Mio. Euro Umsatz machte Rewe mit Töchtern wie Billa, Merkur und Bipa in Österreich 2016 mit seinen Onlineshops. Vor allem das Geschäft mit der Abholung der online vorbestellten Waren (Click & Collect) wachse beträchtlich. Heuer erwartet sich der Konzern eine Verdoppelung der Erlöse auf 60 Mio. Euro. Eine Alternative zum Fortschritt gibt es in den Augen Hensels nicht – jedoch die Gefahr, den Anschluss im wachsenden Markt zu verlieren. „Wir sind dazu verdammt, dabei zu sein, sonst sind wir weg vom Fenster.“

Von Zukunftsszenarien wie vollautomatisierten Supermärkten halten weder Hensel noch Mitdiskutant Peter Schnedlitz etwas. Der Vorstands des Instituts für Handel und Marketing der WU prognostiziert, dass Händler in ländlichen Regionen auch ohne Facebook-Werbung überleben würden. Wenn IT-Unternehmen wie Amazon bei der teuren Auslieferung von frischen Lebensmitteln erfolgreich sein wollten, stünden sie vor denselben logistischen Hürden wie jeder Supermarkt.

„Angst würde ich niemandem empfehlen“, sagt Hensel angesprochen auf die IT-Konkurrenz. Die Zukunft im Handel läuft für ihn unter dem großen Schlagwort Big Data zusammen. Was ihm vorschwebe, sei die intelligente Vernetzung der vielen frei verfügbaren Daten – etwa um Einkaufsmuster zu lesen und so Produkte besser zu platzieren, um den Warenetiketten das Nachfüllen der Regale beizubringen oder Lebensmittel mittels Bitcoin-Technologie rückverfolgbar zu machen. „Wir brauchen nicht Ihre personalisierten Daten!“, stellte er auf Nachfrage klar. Einige hat der Konzern bereits und arbeitet auch damit: Seine neun Millionen Kundenkartenbesitzer unterteilt Rewe in Kategorien und verschickt so gezielt Werbung. Man frage anders als Amazon aber nicht nach Details wie der Bankverbindung. (loan)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2017)

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