Brexit: May geht in die Offensive

Die britische Premierministerin May will, dass schneller verhandelt wird.
Die britische Premierministerin May will, dass schneller verhandelt wird. (c) APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS
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Die britische Regierungschefin will der EU 40 Milliarden Euro für den Austritt zahlen, allerdings nur zu bestimmten Bedingungen.

Wien. 40 Milliarden Euro, das ist der Betrag, den die britische Regierung bereit sein soll, für ihren Austritt aus der Europäischen Union zu bezahlen. Das berichtete die englische Zeitung „The Sunday Telegraph“ unter Berufung auf britische Regierungskreise gestern. Die britische Regierung wollte sich zu den Neuigkeiten nicht äußern.

Anfangs gab es Spekulationen, die EU werde vom Vereinigten Königreich 100 Mrd. Euro verlangen. Der britische Außenminister Boris Johnson reagierte auf diese Mutmaßungen mit der ihm eigenen Direktheit: Solche Forderungen seien „absurd“, die EU könne sie sich am besten gleich „an den Hut stecken“, sagte er. Im Übrigen könne sein Land auch austreten, „ohne überhaupt etwas zu bezahlen“.

Rund 30 Mrd. Euro Differenz

Inzwischen hat die EU schon klargestellt, von dem scheidenden Mitgliedsstaat etwa 60 bis 70 Mrd. Euro – unter anderem für Pensionsforderungen und bereits vereinbarte EU-Projekte – haben zu wollen. Doch von britischer Seite waren in den Verhandlungen bisher ganz bewusst keine Zahlen genannt worden. Die Strategie hat sich offenbar nicht bewährt, berichtet das englische Blatt. Die Verhandlungen laufen aus der Sicht Londons viel zu zäh. Mit konkreten Fakten soll es gelingen, sie zu beschleunigen.

Allerdings ist Premierministerin Theresa May nur zu bestimmten Konditionen bereit, 40 Mrd. an die EU zu überweisen. Am wichtigsten ist ihr, dass man die Verhandlungen über ein künftiges Handelsabkommen beginnt und klärt, wie die Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU aussehen soll. Genau darüber will man in Brüssel jedoch erst dann sprechen, wenn man bei den verschiedenen Trennungsfragen „ausreichend Fortschritt“ erzielt hat. Zu den schwierigen Themen gehören – neben den finanziellen Abgeltungen – zum Beispiel, welche Rechte EU-Bürger künftig in Großbritannien und Briten in der EU haben sollen. Auch ist noch offen, wie es um die Grenze zwischen Nordirland und England steht. Keinesfalls werde Nordirland Zölle an der irischen Grenze tolerieren, richtete der Außenminister Irlands, Simon Coveney, May aus. Eigentlich wollte EU-Chefverhandler Michel Barnier in all diesen Punkten bis Oktober eine Klärung erzielt haben. Mittlerweile hält man den Zeitpunkt in Brüssel nicht mehr für realistisch, sondern spricht von Dezember, denn da findet das nächste Gipfeltreffen statt. Wie auch immer, am 28. August sollen die ins Stocken geratenen Gespräche wieder fortgesetzt werden, denn die Zeit drängt: Offiziell soll die Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs bereits im März 2019 enden.

Theresa May bekommt indes die Ernüchterung der britischen Wirtschaft über den Brexit zu spüren. Ryanair Chef Michael O'Leary ist verärgert über den derzeitigen Stillstand: „Mehr als ein Jahr ist seit dem EU-Referendum vergangen – und was ist passiert? Nichts!“ Dabei werde schon im Herbst 2018 „die Hölle ausbrechen“, sagt O'Leary. Denn zu diesem Zeitpunkt arbeiten alle Airlines ihre Flugpläne aus – und müssten alle Verbindungen zwischen der Insel und dem Kontinent streichen. Das sei nur ein erstes Zeichen, welche Konsequenzen der Brexit haben werde, so der Ryanair-Chef.

„Ein Jahr verschwendet“

Mervyn King, der ehemalige Boss der Bank of England, gab in einem BBC-Interview ebenfalls seiner Unzufriedenheit Ausdruck: Nachdem „die Regierung ein Jahr verschwendet habe“, sei es für beide Seiten das beste, die Gespräche ohne Deal zu beenden, sagte er. Und die britische Regierung müsse sich besser vorbereiten, um endlich in den Verhandlungen ernst genommen zu werden. May scheint King gehört zu haben. Sie will in die Offensive gehen: In den nächsten Tagen plant sie, der EU einige Positionspapiere vorzulegen. (hec/ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2017)

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