Drei Männer und eine Schachgroßmeisterin hatten sich um den Vorsitz in der Eurogruppe beworben. Zum Nachfolger des Niederländers Jeroen Dijsselbloem wurde der portugiesische Finanzminister Mário Centeno gekürt.
Der portugiesische Finanzminister Mário Centeno ist Montagnachmittag zum neuen Vorsitzenden der Eurogruppe gewählt worden. Centeno tritt damit ab 14. Jänner die Nachfolge von Jeroen Dijsselbloem an der Spitze der Währungsunion an. Damit bleibt der Spitzenposten in der sozialdemokratischen Familie.
Ursprünglich hatten sich vier Kandidaten beworben. Neben Centeno waren es noch die Finanzminister Pierre Gramegna (Luxemburg), Peter Kazimir (Slowakei) und Dana Reizniece-Ozola (Lettland). Die Lettin fiel im ersten Durchgang durch.
Vor zwei Wochen war noch Österreichs geschäftsführender Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) als Favorit gehandelt worden. Zunächst wurde kolportiert, dass Schelling von der EVP-Fraktion in der Eurogruppe, die mit neun Mitgliedern von 19 Finanzministern die stärkste ist, favorisiert wird. Allerdings kam vor ein paar Tagen dann die Auskunft der EVP, dass die Europäische Volkspartei keinen eigenen Kandidaten aufstellen werde. Damit war Schelling aus dem Rennen.
Die SPÖ-Delegationsleiterin im EU-Parlament Evelyn Regner zeigte sich erfreut über die Wahl ihres Parteikollegen. "Das ist ein wichtiges Signal für die Euro-Länder. Entgegen aller Unkenrufe der Austeritäts-Fanatiker Schäuble & Co. hat sich Portugal in den letzten Jahren nach der Wirtschaftskrise gut entwickelt, die Arbeitslosigkeit sinkt und das Budgetdefizit ist auch historisch niedrig. Von Mario Centeno erwarte ich mir, dass er die notwendigen Reformen der Eurozone mit Mut vorantreibt und so zu ihrer Stärkung beiträgt", so Regner.
Zusammenarbeit mit allen
Centeno hat den Zusammenhalt der Währungsunion als wichtige Aufgabe bezeichnet. Nach seiner Wahl sagte Centeno Montag in Brüssel, wesentlich sei der Konsens, "das ist auch etwas, was Jeroen Dijselbloem als Vermächtnis hinterlassen hat".
Centeno sprach von einer großen Ehre, dankte den anderen drei Kandidaten für den Eurogruppen-Vorsitz und sprach von einem "fairen Wettrennen", das sehr demokratisch abgelaufen sei. Jedenfalls müsse die Eurogruppe die nächsten Jahre viele wichtige Themen bewältigen. Es sei jetzt die einzigartige Zeit, die Volkswirtschaften besser vorzubereiten. Er hoffe auf die Unterstützung aller Euro-Staaten und werde mit allen zusammenarbeiten.
Dijsselbloem wollte sich über das zahlenmäßige Ergebnis der Wahlen nicht äußern. Es reiche zu sagen, dass Centeno der "erfolgreiche Bewerber nach zwei Runden" war. Er habe die einhellige Unterstützung der Eurogruppe.
EU-Währungskommissar Pierre Moscovici zollte dem scheidenden Eurogruppen-Chef Dijsselbloem Respekt. "Als Du übernommen hast, war die Eurozone mitten in einer Existenzkrise. Manchmal sahen wir aus, als säßen wir in der Sackgasse fest, trotzdem ist es Dir gelungen, uns herauszuführen". Dijsselbloem habe ein langes Kapitel der Eurogeschichte zu Ende gebracht und enorme Herausforderungen bewältigt.
Der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament Othmar Karas sagte, in den nächsten zweieinhalb Jahren werde es an Centeno liegen, die Vertiefung und Stärkung der Eurozone auf der Basis des Fünf-Präsidentenpapiers und der Rede des französischen Präsidenten Macron voranzubringen. Beim nächsten Mal solle jener EU-Kommissar, der für Wirtschaft und Finanzen zuständig ist, auch Vorsitzender der Eurogruppe werden. Damit würde de facto ein Europäischer Wirtschafts- und Finanzminister geschaffen. So wäre die Eurogruppe besser im institutionellen Gefüge der EU verankert und eindeutiger der Kontrolle durch das EU-Parlament unterworfen, meinte Karas.
Der finanzpolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament Sven Giegold sagte, Centeno werde als "der Anti-Schäuble unter Europas Finanzministern" agieren. Portugal habe Schäubles Austeritätsdogma erfolgreich widerlegt. Centeno habe gezeigt, dass nicht sparen, sondern investieren der richtige Weg sei. Nicht obwohl, sondern weil Portugal Renten und untere Einkommen anhebe, erhole sich das Land.
Das ist die Eurogruppe
In der Eurogruppe kommen monatlich die Finanzminister der 19 EU-Länder, welche die Gemeinschaftswährung verwenden, zusammen. Hauptaufgabe ist eine enge Koordinierung der Wirtschaftspolitik. In der Finanz- und Schuldenkrise wurde die Eurogruppe zentrale Schaltstelle für die Ausarbeitung von Rettungsprogrammen für vom Staatsbankrott bedrohte Länder wie Griechenland.
An den Treffen der Eurogruppe nehmen auch der für Wirtschaft- und Finanzen zuständige EU-Kommissar sowie der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) teil. Erstmals tagten die Länder der Eurogruppe am 4. Juni 1998 kurz vor Einführung der Gemeinschaftswährung als Buchgeld.
Einen ständigen Präsidenten gibt es seit 2005. Er leitet ihre Sitzungen, legt die Tagesordnung fest und vertritt die Eurogruppe in internationalen Gremien. Bisher war der Eurogruppen-Vorsitzende immer selbst ein Finanzminister.
Der Präsident wird von den Finanzministern mit einfacher Mehrheit gewählt. Die Amtszeit beträgt zweieinhalb Jahre. Bisher gab es zwei Präsidenten: von 2005 bis 2013 den Luxemburger Jean-Claude Juncker, der heute EU-Kommissionspräsident ist, und seit Jänner 2013 den Niederländer Jeroen Dijsselbloem. Seine Amtszeit endet am 13. Jänner.