Kemlers vergebliche Suche nach einem Aufsichtsratsbeschluss

PEROUTKA Guenther / W
  • Drucken

Ex-ÖIAG-Chef Rudolf Kemler klagt die Öbib auf rund 250.000 Euro. Die gestrige Verhandlung verlief für ihn jedoch nicht optimal. Doch auch Öbib-Chefin Martha Oberndorfer tat sich schwer, die gestellten Fragen zu beantworten.

Gestern am späten Nachmittag fand am Wiener Handelsgericht der Prozess zwischen Rudolf Kemler, dem EX-Vortstandsvorsitzenden der Österreichischen Industrie Staatsholding, und der Öbib (die Nachfolgegesellschaft der ÖIAG) seine Fortsetzung. Und dabei ging es erstmals um Inhaltliches. Denn Richterin Eva Wiesinger vernahm nicht nur der Kläger, Rudolf Kemler, ein, sondern auch Öbib-Chefin Martha Oberndorfer und einen ehemaligen leitenden Mitarbeiter des Finanzministeriums, Johannes Ranftl. Und jeder von den Genannten kam bei ihrer Befragung gehörig ins Schwitzen.

Zuer Erinnerung: Kemler klagt seinen ehemaligen Arbeitgeber auf 248.876 Euro. 99.776 Euro will er als Ersatz für 58 nicht konsumierte Urlaubstage haben. Eine Einmalzahlung von 149.100 Euro gebühren ihm aufgrund einer mündlichen Zusage, die Peter Mitterbauer, der damalige Aufsichtsratschef der ÖIAG, anlässlich Kemlers Anstellung bei der ÖIAG 2012 gegeben habe. Und 2015 unter Sigfried Wolf, Mitterbauers Nachfolger, sei diese mündliche Zusage auch in Schriftform gegossen und vom damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling paraphiert worden – und zwar noch vor der letzten Aufsichtsratsitzung vor dem Ende der alten Staatsholding am 20. März 2015. In dieser Sitzung sei besagte Auflösungsvereinbarung auch vom Aufsichtsrat beschlossen worden, behauptet Kemler.

Die Öbib bestreitet alle von Kemler vorgebrachten Ansprüche. In der besagten Aufsichtsratssitzung habe es definitv keinen zustimmenden Beschluss gegeben, der die Auflösungsvereinbarung mit Kemler abgesegnet hätte. Darüber hinaus findet die Öbib, dass sie noch Geld von Kemler zu bekommen habe und hat Forderungen in der Höhe von 300.000 Euro gegen ihn geltend gemacht. Kemler soll laut Öbib gegen Governance-Gebote, u.a. den Grundsatz der Sparsamkeit, verstoßen haben.

Kemler vertraute auf "Gentlemen's Agreement"

Wie es zu der mündlichen Zusage von ÖIAG-Aufsichtsratschef Peter Mitterbauer im Zuge seiner Anstellung eigentlich gekommen sei, will die Richterin von Kemler wissen. Zuerst habe Mitterbauer mit ihm ein Fixgehalt von etwas über 500.000 Euro jährlich vereinbart. Zusätzlich sollten noch zehn Prozent des Jahresgehalts, also 50.000 Euro, jährlich von der ÖIAG in die Pensionskasse APK eingezahlt werden. Doch kurz vor Abschluss des Vertrages stellte sich heraus, dass diese Vereinbarung der Bundes-Vertrags-Schablonen-Verordnung widersprochen hätte. Sie sah vor, dass Jahresgehälter staatsnaher Spitzenmanager mit 500.000 Euro jährlich begrenzt sein müssen. Darum hätten er und Mitterbauer eine andere Lösung, "ein Gentlemen's Agreement", mündlich abgeschlossen. Für den Fall, dass sein Vertrag nicht die gesamten fünf Jahre laufen sollte, werde man anlässlich der Auflösung seines Vertrages schon eine Lösung finden. Für jedes absolvierte Jahr sollte die ÖIAG für Kemmler im Nachhinein 50.000 Euro in die APK einzahlen. So habe die Vereinbarung zwischen ihm und Mitterbauer gelautet.

Ob er nicht gewusst habe, dass nach seinem Vertrag mündliche Nebenabreden gar nicht zulässig gewesen seien, will die Richterin wissen. "Ja, das wusste ich", antwortet Kemler. Doch 2012 hätten weder Mitterbauer noch er absehen können, wie sich die Dinge entwickeln würden und deshalb dennoch diese Punkte in einem mündlichen Gentlemen's Agreement geregelt. Als dann klar gewesen sei, dass er seine Arbeit bei der ÖIAG bzw. bei der Öbib beenden werde, habe er mit Mitterbauers Nachfolger, dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Sigfried Wolf, über die Modalitäten seiner Auflösung gesprochen. Und dieser habe ihm - auch nach Absprache mit Schelling - versichert, es würde alles wie mit Mitterbauer besprochen über die Bühne gehen.

Aufsichtsratsprotokoll widerspricht Kemlers Aussage

Unangenehm wird es für Kemler, als die Richterin ihm das Protokoll der letzten Aufsichtsratssitzung der ÖIAG vorlegt und ihn bittet, ihr jenen Absatz zu zeigen, in dem steht, dass der Aufsichtsrat sein Auflösungsvereinbarung beschlossen hat.
Der Ex-ÖIAG-Chef blättert längere Zeit in dem Dokument - und findet ihn nicht. Er kann ihn gar nicht finden, denn "auf Seite 19 im vierten Absatz ist nur vermerkt, 'dass der Aufsichtsrat festlegt, keinen diesbezüglichen Beschluss zu fassen, sondern die Beschlussfassung über den Antrag des Vorsitzenden an die Hauptversammlung zu deligieren...", sagt Richterin Wiesinger dem Kläger. "Woher haben Sie denn, dass überhaupt ein Aufsichtsratsbeschluss gefasst worden ist?", will sie wissen. "Aus meiner Empfindung während der Sitzung. Sehr viele Sitzungsteilnehmer können ihnen bestätigen, dass das eine klare Willensbildung war", antwortet Kemler. Überdies stamme die Protokollierung des Aufsichtsratsprotokolls ja auch nicht von ihm.

Johannes Ranftl, ein mittlerweile pensionierter hoher Beamter des Finanzministeriums, der bei der Aufsichtsratssitzung damals anwesend war, kann sich bei seiner gestrigen Aussage an vieles nicht erinnern. Eines weiß er jedoch, nämlich, dass weder in der damaligen Aufsichtsratssitzung noch in der darauffolgenden Hauptversammlung die Auflösungsvereinbarung von Kemler als Tagesordnungspunkt vorgesehen gewesen sei. Er, Ranftl, hätte - trotz Sondervollmacht des Ministers - auch nicht das Pouvoir gehabt, einer solchen zuzustimmen.

Wie auch immer die brisante Aufsichtsratsitzung abgelaufen sein mag, fest steht, dass Kemler, nachdem er aus der ÖBIB ausgeschieden war, eine Endabrechnung bekam, die nicht seinen Erwartungen entsprochen hat.

"Verstehen Sie die Frage nicht?"

Martha Oberndorfer wurde als Letzte gesern abends von der Richterin befragt. Im wesentlichen wollte Wiesinger von ihr wissen, was mit Kemler gegen Ende seines Dienstverhältnisses besprochen worden sei. Dass die Öbib-Chefin auf konkrete Fragen sehr ausschweifend oder gar nicht zu antworten vermag, bringt nicht nur die Richterin an die Grenzen ihrer Gelassenheit, sondern auch Kemlers Anwalt Michael Enzinger: "Haben Sie denn die Frage nicht verstanden?", will er von Oberndorfer wissen. So konnte Oberndorfer gestern trotz mehrmaligem Nachfragen nicht einmal erklären, wie viele Resturlaubstage Kemler überhaupt noch zugestanden wären.

Auch ob Oberndorfer ausdrücklich das Placet von Schelling bekommen habe, ihrerseits Ansprüche gegen Kemler geltend zu machen, beantwortete die Öbib-Chefin zuerst unklar. Es habe keinen ausdrücklichen Beschluss des Eigentümers, gegeben, räumte sie auf Nachfrage schließlich ein. 

In ihrer fast einstündigen Einvernahme zeichnete Oberndorfer zusammenfassend folgendes Bild: Sie sei stets davon ausgegangen, dass "mit meinem Vorgänger (Kemler) die Organe bezüglich seiner Auflösung alles ausgemacht haben. Mir war lange nicht bewusst, dass es nicht so ist." Erst als ihr eine Bereichsleiterin eine Überweisung in Höhe von 150.000 Euro zur Unterschrift im Oktober 2015 vorgelegt hätte, habe sich das geändert. Es sei ihr nämlich nicht klar gewesen, was die Grundlage für diese Überweisung sei. Deshalb habe sie eine Prüfungen in Auftrag gegeben, die schließlich ergeben hätten, dass keine Basis dafür exestiere. Weshalb Kemler behauptet, nicht die Möglichkeit gehabt zu haben, seinen Resturlaub zu konsumieren, ist Oberndorfer überdies unverständlich. Der Kabinettchef von Schelling, Thomas Schmid, habe ihm schon im Juni 2015  "unmissverständlich" klargemacht, dass man seine Dienste nicht mehr benötigen würde. "Und jedem war klar, dass Kemler seinen Urlaub auch antreten werde."

Gegen 19 Uhr schloss die Richterin erschöpft die Verhandlung. Fortgesetzt wird der Prozess am 2. Juli. Dann sollen Universitätsprofessorin Brigitta Jud-Zöchling und Susanne Riess (beide gehörten damals dem ÖIAG-Aufsichtsrat an) als Zeugen befragt werden.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.