Ökonomen: EZB wird sich beim Schließen der Geldschleusen mehr Zeit lassen

EZB in Frankfurt am Main
EZB in Frankfurt am MainAPA/dpa/Boris Roessler
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Trotz einer breiten Erholung der Wirtschaft wird die EZB vorsichtig bleiben, was den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik angeht, glauben Ökonomen. Noch fehlt der Inflationsdruck.

Ökonomen gehen nicht mehr davon aus, dass die Europäische Zentralbank auf der Sitzung des EZB-Rats am 8. März ihre Rethorik zur zukünftigen Geldpolitik ändern wird. Stattdessen prognostizieren die regelmäßig von Bloomberg befragten Analysten, dass die Notenbanker ihre Zusicherung zu den Aktivakäufen bis Juni zurücknehmen und bis Juli ein Enddatum für das Stimulus-Programm festlegen werden. Feineinstellungen der Zins-Guidance, die gegenwärtig keine Veränderung "weit über den Zeithorizont" des Nettoerwerbs von Vermögenswerten hinaus sieht, werden erst im September erwartet.

Der von Präsident Mario Draghi erwartete vorsichtigere Ausblick spiegelt sein Insistieren wider, dass die EZB geduldig und beharrlich sein muss, um die Volkswirtschaft der 19-Länder zu stützen, oder sie riskiert, den lang ersehnten Inflationsanstieg zu gefährden. Das kontrastiert mit den Forderungen einiger EZB-Ratsmitglieder, mit dem Ausstieg zu beginnen; sie hatten auf der Sitzung im Januar vergeblich gefordert, dass die Möglichkeit einer Ausweitung der Wertpapierkäufe fallen gelassen wird.

"Einige Ratsmitglieder scheinen sehr besorgt zu sein, dass kleine Änderungen in der EZB-Kommunikation übermäßig starke Marktreaktionen provozieren könnten", sagt Kristian Tödtmann, Volkswirt bei der DekaBank in Frankfurt, "daher sollte die EZB ihre Prognosen für den Kauf von Vermögenswerten nur soweit reduzieren wie sie in der Lage ist, ihre Guidance zu den Leitzinsen zu stärken."

Noch keine nennenswerte Inflation

Die Wirtschaft des Euroraums erlebt die breiteste Expansion seit einem Jahrzehnt. Der Inflationsdruck bleibt jedoch weiterhin schwach, wobei die Gesamtinflationsrate im letzten Monat auf den niedrigsten Stand seit 2016 gefallen ist. Und jüngste Umfragen deuten darauf hin, dass die Wirtschaft möglicherweise einen Gang zurückschalten wird.

Während Ökonomen zuvor prognostiziert hatten, dass die EZB im März auf dem Weg zu einem Ausstieg aus der quantitativen Lockerung weiter voranschreiten wird, erwarten sie nun, dass sich die Zentralbank mehr Zeit nehmen dürfte, eine Drosselung der geldpolitischen Anreize zu kommunizieren. Ein Einbruch bei den Aktienkursen im Februar läutete eine Rückkehr der Volatilität ein, aber dies rechtfertige derzeit keine Änderung der Pläne der Zentralbank, sagen die Volkswirte.

"Die EZB wird sich an das übliche Manuskript halten, nachdem jegliche Marktvolatilität den geldpolitischen Kurs nur insoweit beeinflusst, wie sie die makroökonomischen und monetären Bedingungen beeinflusst", sagt Gianluca Sanna, leitender Ökonom bei Banca Monte dei Paschi di Siena SpA in Mailand.

Wann steigen die Zinsen?

Die Netto-Aktivakäufe werden wie geplant mit dem gegenwärtigen Tempo von 30 Milliarden Euro pro Monat fortgesetzt, bevor sie bis Jahresende auf Null reduziert werden, erwarten die Befragten. Die Erlöse aus fällig werdenden Papieren werden danach für zwei Jahre reinvestiert, sagen die Teilnehmer der Umfrage.

Als Zeichen, wie die EZB-Kommunikation die Erwartungen beeinflussen kann, haben Ökonomen ihre Schätzungen für den ersten Anstieg des Hauptrefinanzierungssatzes - der derzeit bei Null liegt - auf das zweite Quartal 2019 verschoben, ein Vierteljahr früher als in der Januar-Umfrage. Die Änderung erfolgte nach Äußerungen von Draghi und Bundesbankpräsident Jens Weidmann, die signalisierten, dass eine Zinserhöhung Mitte nächsten Jahres im Einklang mit der Forward Guidance sein könnte.

Die wahrscheinliche Ernennung von Spaniens Luis de Guindos zum neuen Vize-Präsidenten der Notenbank wird wohl kaum die Balance im EZB-Rat verändern, wenn er im Juni Vítor Constâncio ablöst. Trotz seiner Erfolge, als Minister fiskalpolitische Übertreibungen einzudämmen, erwarten Ökonomen, dass de Guindos eine vorsichtig taubenhafte Haltung bei der EZB einnimmt.

"Wir haben noch nicht genug von Guindos gehört, um ihn als eindeutig als falkenhaft oder taubenhaft einzustufen, aber er könnte leicht auf der taubenhaften Seite der Skala stehen", sagen Elwin de Groot und Bas van Geffen bei der Rabobank im niederländischen Utrecht. "Jedenfalls würden wir auf der Grundlage unserer aktuellen Informationen argumentieren, dass er nicht so taubenhaft sein wird wie Constâncio."

(Bloomberg)

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