Arbeiterkammer warnt "vor Steuergeschenken an große Firmen und reiche Menschen"

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THEMENBILD: BUDGET 2011APA/HELMUT FOHRINGER
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Ein Nulldefizit kann nur die Regierung selbst vermasseln, meint Markus Marterbauer von der AK. Regierungsmaßnahmen wie den Familienbonus sieht er kritisch.

Ein gut ausgebauter Sozialstaat wie der österreichische erhöht das Potenzial der gesamten Volkswirtschaft. Das ist der Sukkus einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), die von der Arbeiterkammer (AK) beauftragt und am Donnerstag präsentiert wurde. Laut Markus Marterbauer, dem Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaften der AK Wien, könne heuer schon ohne Zutun der Politik ein Nulldefizit erreicht werden. Grund sei die brummende Konjunktur. Das Nulldefizit ist laut dem AK-Fachmann nur gefährdet, "wenn Steuergeschenke an große Firmen und reiche Menschen getätigt werden".

Ein Dorn im Auge ist Marterbauer der Regierungsplan, die Umsatzsteuer auf Nächtigungen von 13 auf 10 Prozent zu senken. Es stelle sich die Frage, ob die einhergehenden Kosten von 120 Mio. Euro nicht besser investiert wären, wenn man sie in die Qualifikation von Facharbeitskräften stecke. Das würde auch dem Tourismus, der oft über einen Fachkräftemangel klagt, nützen, so Marterbauer. Auch den Familienbonus nannte er als Negativbeispiel: "Der Familienbonus sorgt bei uns für erhebliches Stirnrunzeln. Es stellt sich die Frage, ob Familien geholfen wird, die wirklich Unterstützung brauchen." Die Netto-Kosten von 1,1 Mrd. Euro wären aus Sicht der Arbeiterkammer besser in Sachleistungen investiert, zumal beim derzeitigen Regierungsplan sozial Schwächere weniger profitieren würden.

AK: Investitionen in Sozialstaat nützen Volkswirtschaft

Auch Christa Schlager, die Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien, warnt vor den Budgetplänen der Regierung, auch wenn die Rede von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) am kommenden Mittwoch freilich noch abzuwarten sei. Schlager hielt der Regierung - ebenso untermauert mit Ergebnissen der Wifo-Studie - vor, dass die Arbeitnehmer nicht in ihrer "Standortpartnerschaft" vorkämen. Das führe zu einer verkürzten Sicht der Dinge. "Für uns liegt die Vermutung nahe, es geht bei der Standortpartnerschaft nur darum, die Wunschliste der Industrie umzusetzen", kritisierte die AK-Vertreterin und erwähnte den Zwölfstundentag und Unternehmenssteuersenkungen.

Die 80-seitige Wifo-Studie im AK-Auftrag belegt jedenfalls, dass Investitionen in den Sozialstaat nicht nur den Menschen nutzen, die direkt profitieren, sondern auch der gesamten Volkswirtschaft. Die Sozialausgaben machten im Jahr 2016 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Österreichs aus. Das waren 106 Mrd. Euro. 70 Prozent davon waren monetäre Leistungen wie Pensionen und Arbeitslosengelder,, die direkt nachfragewirksam werden, sagte die Projektleiterin die Wifo-Studie, Christine Mayrhuber. Die direkte Beschäftigungswirkung belaufe sich auf knapp 10 Prozent der unselbstständig Beschäftigen, also an die 370.000.

Für Schlager belegt die die Studie zudem, dass Investitionen in die Bildung und in den Arbeitsmarkt Zukunftsausgaben sind; Sachausgaben sollten hierbei gesteigert werden.

IV wirft AK Polemik vor

In einer Reaktion hat sich die Industriellenvereinigung (IV) auch zum Sozialstaat bekannt. Das allerdings mit einem "Aber" und dem Vorwurf der "Polemik" Richtung AK. Dem Nutzen des Sozialstaats müssten "stets auch die Kosten gegenübergestellt werden", so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.

Aus Sicht der Industrie haben sich die Staatsausgaben in den vergangenen Jahrzehnten deutlich weg von investitionsbezogenen und produktiven Zukunftsausgaben hin zu Konsum- und Transferausgaben entwickelt. "Auch die Frage nach Zweckmäßigkeit und Effizienz sowie eine sachliche Diskussion darüber müssen erlaubt sein - und zwar ohne den mittlerweile fast reflexartigen Aufschrei, dass man deshalb gleich den Sozialstaat als solchen infrage stellen oder gar zerstören wolle. Diese Art von Polemik ist verzichtbar", kritisierte Neumayer in einer Aussendung die AK. Die Steuer- und Abgabenlast in Österreich sei im internationalen Vergleich zu hoch.

(APA)

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