Höherer CO2-Ausstoß durch Brexit?

Zählt das Elektroauto für den EU-Schnitt? Wenn es in Großbritannien verkauft wurde, künftig nicht mehr.
Zählt das Elektroauto für den EU-Schnitt? Wenn es in Großbritannien verkauft wurde, künftig nicht mehr.(c) REUTERS (Jorge Silva)
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Der Brexit könnte Europas Autoindustrie Milliarden kosten, weil in der Statistik die CO2-Emissionen steigen und Strafzahlungen fällig werden. Auch die Abkehr vom Diesel ist ein Problem.

Wien. Dass der Brexit für Unternehmen dies- und jenseits des Ärmelkanals zusätzliche Kosten verursachen könnte, ist bereits seit Langem klar. Schließlich ist – trotz der jüngsten Verhandlungsfortschritte (siehe Seite 5) – nach wie vor unklar, unter welchen Bedingungen der Handel zwischen Kontinent und Insel künftig ablaufen wird. Für die europäische Autoindustrie droht der Brexit allerdings auch darüber hinaus noch empfindliche Kosten zu verursachen: Denn durch den Ausstieg Großbritanniens aus der Union dürfte auch der durchschnittliche CO2-Ausstoß von Neuwagen innerhalb der EU deutlich ansteigen. Und das könnte dazu führen, dass die für die Hersteller per 2021 verpflichtenden Ziele nicht erreicht und in der Folge hohe Strafzahlungen notwendig werden.

Großbritannien ist nicht nur der zweitgrößte Automarkt in der EU, er ist auch relativ weit fortgeschritten hinsichtlich der Akzeptanz von alternativen Antrieben wie Hybridfahrzeugen oder reinen Elektroautos. Wie der Branchenverband Acea am Montag in Brüssel bekannt gab, wurden zuletzt 16 Prozent aller E-Autos und 31 Prozent aller Plug-in-Hybride, die insgesamt in der EU verkauft wurden, im Vereinigten Königreich abgesetzt. Verlässt Großbritannien nun wie geplant im kommenden Jahr die EU, müssten diese Fahrzeuge eigentlich auch aus der Berechnung des europäischen Durchschnitts herausgerechnet werden. Und das würde laut Acea zu einer deutlichen Anhebung dieses Wertes führen.

Für die Autohersteller hätte das ganz konkrete Folgen. Denn sie müssen bei ihren Neuwagen laut EU-Vorgabe bis zum Jahr 2021 einen CO2-Ausstoß von im Schnitt 95 Gramm je Kilometer erreichen. Eingeführt wurde dieses Ziel im Jahr 2009. Damals lag der durchschnittliche Ausstoß noch bei etwa 160 Gramm je Kilometer. In einem ersten Schritt wurde vorgegeben, dass bis 2015 ein Wert von 130 Gramm erreicht werden muss – was weitgehend auch gelang. Für die darauf folgenden sechs Jahre wurde der Wert nochmals verschärft.

Ohne Alternative geht es nicht

Da es vor allem aus Deutschland große Proteste gab, dass die vorgesehenen 95 Gramm mit den oft großen und schweren Premium-Fahrzeugen nicht erreichbar sind, wurde dieses Ziel nach Gewicht auf die einzelnen Hersteller aufgeteilt. Manche müssen schlussendlich also einen Durchschnittsausstoß von unter 95 Gramm erzielen, damit andere darüber liegen können. Klar ist allerdings in jedem Fall, dass es ohne genügend Fahrzeuge mit alternativen Antrieben nicht gelingen wird, dieses Ziel zu erreichen. Und hier bereitet der unerwartete Austritt Großbritanniens den Automanagern nun großes Kopfzerbrechen.

Das Brexit-Problem kommt nämlich zusätzlich zu einem anderen Ereignis, das bei vielen Autokonzernen ebenfalls nicht auf der Rechnung war – dem Auffliegen des Dieselskandals. Denn die Abgasschummelei und die darauf folgende allgemeine Negativstimmung gegenüber dem Selbstzünder führte dazu, dass im Vorjahr erstmals seit 2009 wieder mehr Benzin- als Dieselfahrzeuge in Europa zugelassen wurden. Das sorgt zwar für sauberere Luft in Europas Städten, aber auch für einen höheren CO2-Ausstoß. So emittieren vergleichbare Benzinmotoren um rund 15 Prozent mehr CO2 als Dieselantriebe. Das und der nach wie vor anhaltende Trend zu schweren Fahrzeugklassen wie SUVs, sorgt dafür, dass der seit Jahren anhaltende Trend konstant sinkender CO2-Emissionen langsam stoppt – oder sich sogar umkehrt. So musste etwa Daimler im Vorjahr einen Anstieg des durchschnittlichen Ausstoßes von 123 auf 125 Gramm vermelden.

Österreich-Schnitt: 122 Gramm

In Österreich betragen die Emissionen von Neuwagen derzeit im Schnitt 122 Gramm je Kilometer. Sollten die Autohersteller es nicht schaffen, diesen Wert in den kommenden Jahren EU-weit auf 95 Gramm zu senken, wird es für sie richtig teuer. Denn pro Gramm, das über dem Grenzwert liegt, müssen 95 Euro gezahlt werden – allerdings pro verkauftem Auto. Bei einem Absatz von mehreren Millionen Autos kommen so schnell Beträge in Milliardenhöhe zusammen.

AUF EINEN BLICK

Der Brexit könnte dafür sorgen, dass die Emissionen von Neuwagen im EU-Schnitt ansteigen, weil in Großbritannien relativ viele Fahrzeuge mit alternativen Antrieben verkauft werden. Das würde für die Hersteller Strafen bedeuten, wenn sie das EU-Ziel von durchschnittlich 95 Gramm je Kilometer bis 2021 nicht erreichen. Die Brexit-Sorgen kommen zusätzlich zur allgemeinen Abkehr vom Diesel, die ebenfalls für höheren CO2-Ausstoß sorgt. Um ihre Ziele zu erreichen, könnten die Konzerne Modelle mit höheren Emissionen teurer machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2018)

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