Wohin der ungarische Weg führt

FILE PHOTO: A worker stands next to a car on the assembly line as serial production of the new Audi TT roadster starts at the Audi plant in Gyor, west of Budapest
FILE PHOTO: A worker stands next to a car on the assembly line as serial production of the new Audi TT roadster starts at the Audi plant in Gyor, west of Budapest(c) REUTERS (Laszlo Balogh)
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Ungarn vor der Wahl: So umstritten Orbáns provokante Politik ist, so solide scheint sich die Wirtschaft unter seiner Führung zu entwickeln. Aber was steckt hinter den Zahlen?

Es sah nicht gut aus für Ungarn im Jahr 2010: Das Krisenland vor Österreichs Haustür brauchte wieder einmal Hilfe von außen, um einen Staatsbankrott abzuwenden. Die im Jahr davor um fast sieben Prozent eingebrochene Wirtschaft stagnierte. Mehr als jeder Zehnte war arbeitslos. Im April gewann Viktor Orbán die Parlamentswahl mit seiner Partei Fidesz. Seitdem regiert der Rechtspopulist mit Zweidrittelmehrheit. Am kommenden Sonntag stellt sich der umstrittene Politiker wieder der Wahl, die Zeichen stehen auf Sieg. An der ökonomischen Lage sollte es nicht scheitern: Die Wirtschaft wächst kräftig, die Arbeitslosigkeit ist auf nur vier Prozent zurückgegangen. Die Staatsfinanzen sind im Griff, die Sorgen der Geldgeber verflogen. So viel Empörung im Ausland Orbáns Hasstiraden auf muslimische Flüchtlinge und NGOs, seine Missachtung von EU-Beschlüssen und die Einschränkung der Gewaltenteilung auslösen – in der Wirtschaftspolitik scheint er den Zahlen nach viel richtig gemacht zu haben. Aber was steckt hinter der Statistik?
Zunächst: Ungarn war nicht in einer so desaströsen Lage wie andere Krisenländer. Die Staatsschulden erreichten ihren Spitzenwert 2011 mit 81 Prozent, damals weniger als in Österreich. Aber die Finanzmärkte ziehen sich aus anfälligen Schwellenländern rascher zurück als aus hoch entwickelten Staaten. Als einziges der neuen EU-Mitglieder in Osteuropa schleppte Ungarn schon durch den Boom der Nullerjahre einen Rucksack von relativ hoher Staatsverschuldung und überschießenden Haushaltsdefiziten. Daran änderte sich auch unter Orbán vorerst nichts. Er polterte zwar, er werde den Internationalen Währungsfonds hinauswerfen, musste die IWF-Hilfe aber rasch wieder in Anspruch nehmen. Erst seit 2012 ist der Bann gebrochen. Seitdem bewegen sich die Defizite konstant unter der Maastricht-Grenze von drei Prozent. Die Verschuldung geht (sehr langsam) zurück, die Hilfen sind zurückgezahlt.

Auch wenn das keine Herkulesaufgabe war, ist es doch Orbáns Verdienst. Freilich: Einen Teil der Zeche mussten ausländische Unternehmen zahlen, durch Sondersteuern auf Banken (wie die Erste Group) und Handelsketten. Die Geldhäuser erlitten zudem Verluste aus der Konvertierung von Frankenkrediten zum staatlich verordneten Kurs.

Hoch gepokert. Diese Brüskierungen waren sehr riskant. Denn Ungarn ist besonders stark von Auslandsinvestoren abhängig: Jeder zweite investierte Euro kommt von außen, in der Industrie sind es gar 75 Prozent. Aber Orbán ging nur auf Dienstleister los, die sich schließlich zähneknirschend mit ihm arrangierten. Das viel wichtigere verarbeitende Gewerbe verschonte er von Repressalien. Konzerne wie VW und Daimler umgarnte er sogar mit Subventionen und heimlich gewährten Steuernachlässen. Hier gingen Rhetorik und Realität weit auseinander.

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