Wegen des Zollstreits mit den USA wird Stahl nach Europa umgelenkt. Allein aus Russland sind die Importe seit Jahresbeginn gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 139 Prozent gestiegen.
Wegen des Zollstreits mit den USA mehren sich der deutschen Stahlindustrie zufolge die Anzeichen für eine Importschwemme in Europa. Schon an den ersten Monaten dieses Jahres sei zu sehen, wie sich die Mengen auf dem europäischen Stahlmarkt durch Einfuhren aus Ländern wie Russland oder der Türkei deutlich erhöhen, sagte der Präsident der deutschen Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff.
So seien etwa die Importe aus Russland gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 139 Prozent gestiegen. "Es ist völlig realistisch, dass die Länder, die wegen der Zölle nicht mehr in die USA liefern können, mit ihrem Stahl auf den europäischen Markt drängen", sagte Kerkhoff der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Montag. Kerkhoff bekräftigte die Forderung an die EU, Schutzmaßnahmen gegen solche Umlenkungseffekte zu ergreifen.
EZB warnt vor Ausweitung
US-Präsident Donald Trump hat Schutzzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte verhängt. Die EU wurde vorerst bis zum 1. Juni davon ausgenommen. Sie verhandelt derzeit mit der US-Regierung über eine dauerhafte Ausnahme.
Indes warnt die Europäische Zentralbank (EZB) vor einer Ausweitung des Handelskonflikts. Simulationen würden nahelegen, dass bei einer erheblichen Zunahme des Protektionismus die Folgen für den weltweiten Handel gravierend wären, teilte die EZB am Montag mit. In diesem Szenario gingen die Notenbank-Experten davon aus, dass sich Zölle und Gegenmaßnahmen der Handelspartner hochschaukeln würden.
Konjunkturoptimismus getrübt
Auch die Börsianer bewerten die Konjunktur in der Euro-Zone wegen der Gefahr eines Handelskriegs so schlecht wie seit über einem Jahr nicht mehr. Das entsprechende Barometer fiel im Mai um 0,4 auf 19,2 Punkte, wie die Investment-Beratungsfirma Sentix am Montag zu ihrer Umfrage unter knapp 1000 Investoren mitteilte. Das ist bereits der vierte Rückgang in Folge, durch den das Barometer auf den niedrigsten Stand seit Februar 2017 abrutschte. "Die Konjunktur in der Euro-Zone kühlt sich also ab, aber eine Rezessionsgefahr besteht noch nicht", sagte Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner. Die Konjunkturaussichten werden so schlecht bewertet wie seit dreieinhalb Jahren nicht mehr, die Lage so negativ wie seit gut einem halben Jahr nicht mehr.
Die Unsicherheit über die Einführung von US-Strafzöllen dämpfe, zumal sich daraus eine Ausweitung protektionistischer Maßnahmen ergeben könne. "Ebenso belastend wirkt sich auch der feste Euro aus", sagte Hübner. Dadurch verschlechtere sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Exporteure, da ihre Waren dadurch in anderen Währungsgebieten teurer werden. Auch für Europas größte Volkswirtschaft Deutschland trübt sich die Stimmung der Investoren ein. Hier fiel das Barometer um 0,9 auf 23,5 Zähler und damit auf den niedrigsten Wert seit September 2016. "Die Konjunktur in Deutschland boomt, und dennoch scheint der Zenit inzwischen klar durchschritten", sagte Hübner.