Arbeitsmarkt: Deutlich weniger ohne Job

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Die Hochkonjunktur kommt auch auf dem Lehrstellenmarkt an. Die Betriebe sehen nicht nur Grund zur Begeisterung.

Wien. Österreichs Arbeitsmarkt erholt sich, und das dürfte auch noch einige Zeit so weitergehen: Ende Mai verzeichnete das Arbeitsmarktservice (AMS) um 8,9 Prozent weniger Menschen ohne Job als vor einem Jahr. Die Erholung zieht sich durch alle Branchen, Bundesländer, Alters- und Ausbildungsgruppen. Besonders stark war sie in Tirol und der Steiermark. Das AMS spricht vom stärksten Minus seit Beginn der Aufzeichnungen vor 30 Jahren (im Monat Mai). AMS-Vorstand Herbert Buchinger rechnet damit, dass der Rückgang im Lauf des Jahres schwächer wird, aber anhält.

Die gute Konjunktur kommt auch auf dem Lehrstellenmarkt an. Zum ersten Mal seit 17 Jahren wurde die sogenannte Lehrstellenlücke geschlossen. Das heißt, dass es jetzt mehr offene Lehrstellen als Lehrstellensuchende gibt. Auf 4932 sofort verfügbare Lehrplätze kommen aktuell 4575 Lehrstellensuchende. Rechnet man jene Stellen und Anwärter dazu, die erst im Herbst „verfügbar“ sind (da beginnt man eine Lehre in der Regel), kommen 17.798 Angebote auf 9920 Suchende. Die Zahl der angebotenen Stellen stieg im Jahresvergleich um 15,4 Prozent, während die Zahl der Lehrstellensuchenden um 1,5 Prozent zurückging.

Das Thema Lehre ist immer wieder Grund für heftige Debatten zwischen Unternehmer- und Arbeitnehmervertretern. Die Arbeiterkammer vertritt die Position, dass die Betriebe zu wenig Lehrstellen anbieten. Die Unternehmer beklagen, dass sie ihre liebe Not damit haben, geeignete Lehrlinge zu finden. Zwar sieht es auch die Wirtschaftskammer als Indiz für die gute Arbeitsmarktentwicklung, dass sich die Lehrstellenlücke geschlossen hat. Es zeige aber auch, dass die Unternehmen immer größere Schwierigkeiten hätten, die angebotenen Lehrstellen zu besetzen, sagt Alfred Freundlinger, Bildungsexperte bei der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).

Die Jungen werden weniger

Nur ein Teil der Lehrstellen wird beim AMS gemeldet. „Die Entwicklung muss schon recht fortgeschritten sein, wenn sie sogar schon beim AMS aufscheint“, sagt Freundlinger, der von einer „dramatischen“ Situation spricht. Die ist erstens der Demografie geschuldet. Es gibt heute um fast 10.000 weniger 15-Jährige als vor 20 Jahren. Zweitens passen Angebot und Nachfrage oft nicht zusammen. Im Westen werden Tourismuslehrlinge gesucht, während es im Osten besonders viele Lehrstellensuchende gibt. Und schließlich sei es auch eine „Qualitätsfrage“: „Die Lehre steht am Ende der Nahrungskette. Die weiterführenden Schulen schöpfen sich viel Potenzial ab“, so Freundlinger.

Aufseiten der Arbeitnehmer sieht man das etwas anders. Die Arbeiterkammer zählt Lehrstellensuchende, Jugendliche in überbetrieblichen Lehrwerkstätten und Junge in AMS-Schulungen zusammen und kommt so auf 15.712 Junge, die einen Lehrplatz brauchen. Gegenüber 4932 Lehrstellen, die sofort verfügbar sind. Die Betriebe hätten nicht genügend Menschen ausgebildet, als es mit der Wirtschaft nicht so gut lief. „Dann darf man sich nicht wundern, wenn einem in der Hochkonjunktur die Fachkräfte fehlen“, sagt Günther Zauner, Lehrlingsexperte bei der Arbeiterkammer. Manche Unternehmen hätten auch zu hohe Erwartungen an die Jugendlichen, von denen sich einige beim Übergang von der Schule in die Arbeitswelt schwertun würden.

Trend zum späteren Einstieg

Die Unternehmervertreter wollen die Lehre ohnehin lieber als Ausbildung verstanden wissen denn als einen echten Arbeitsplatz. Dann hätten vielleicht auch die Mütter weniger Probleme damit, ihre Kinder mit 15 in die Lehre zu entlassen. „Es ist ein gesellschaftlicher Trend, dass man nicht so früh arbeiten möchte.“ Das Antrittsalter bei der Lehre liegt heute schon bei fast 17 Jahren. (bin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2018)

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