Kalte Dusche für die deutsche Industrie

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Schwache Nachfrage aus dem Heimmarkt und der Euro-Zone macht der deutschen Industrie zu schaffen.

Die deutsche Industrie steckt in der längsten Auftragsflaute seit der weltweiten Finanzkrise 2008. Die Zahl der neuen Aufträge sei im April um 2,5 Prozent niedriger ausgefallen als im März, teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mit. Dies ist der vierte Rückgang in Folge.

Analysten zeigten sich vor allem besorgt über die schwache Auftragsentwicklung im Inland und erklärten den Dämpfer unter anderem mit der jüngsten Debatte um Strafzölle.

Im Jahresvergleich gab es im April einen Rückgang um 0,1 Prozent. Der Auftragseingang entwickelte sich damit auch zu Beginn des zweiten Quartals schwach. Im März war die Zahl der neuen Aufträge in den Industriebetrieben außerdem stärker zurückgegangen als bisher gedacht. Das Bundesamt revidierte den Rückgang im Monatsvergleich auf 1,1 Prozent, nachdem zuvor nur ein Rückgang um 0,9 Prozent gemeldet worden war.

Analysten wurden von den Daten überrascht. Sie hatten eine Erholung erwartet und waren im Monatsvergleich von einem Anstieg beim Auftragseingang um 0,8 Prozent ausgegangen. Seit Beginn des Jahres sind die Ordereingänge in den Industriebetrieben der größten europäischen Volkswirtschaft durchgehend gefallen.

"Eine weitere kalte Dusche", kommentierte Chefvolkswirt Carsten Brzeski von der ING-DiBa-Bank die Auftragsdaten. Es werde immer schwieriger, die schwache Entwicklung mit Sondereffekten wie zum Beispiel ungewöhnlich vielen Urlaubstage zu erklären. Offenbar sei der schwache Jahresauftakt der deutschen Wirtschaft gravierender als bisher gedacht, warnte Brzeski.

Die Auslandsnachfrage schrumpfte im April insgesamt um 0,8 Prozent. Dabei brachen die Bestellungen aus der Eurozone um 9,9 Prozent ein, während die aus dem Rest der Welt um 5,4 Prozent zunahmen. Die Inlandsnachfrage nahm um 4,8 Prozent ab. Besonders kräftig fielen die Bestellungen im Bereich "sonstiger Fahrzeugbau" mit fast 36 Prozent. Dazu zählen beispielsweise Schiffe, Züge sowie Flugzeuge. Diese Orders schwanken oft stark. Auch wenn dieser Bereich ausgeklammert würde, hätte sich ein Auftragsrückgang ergeben, der aber mit 0,6 Prozent deutlich kleiner ausgefallen wäre.

"Die Entwicklung sieht nicht gut aus", kommentierte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Die Entwicklung sei besorgniserregend und Gitzel vermutet die jüngste Debatte um Strafzölle als Ursache für den schwachen Auftragseingang. "Die Unternehmen in der Eurozone dürften verunsichert sein", sagte der Experte.

Aus dem deutschen Wirtschaftsministerium hieß es in einer ersten Stellungnahme, dass es schwer einzuschätzen sei, ob "die Verunsicherung aus dem außenwirtschaftlichen Umfeld" eine Rolle gespielt habe. Aus Sicht der Bundesregierung habe sich "die absehbar ruhigere Entwicklung aus dem ersten Vierteljahr 2018 im April fortgesetzt".

Experte Ralph Solveen von der Commerzbank wollte die Entwicklung ebenfalls noch nicht kritisch sehen und sprach von einem "Durchhänger" in der deutschen Industrie, der weiter anhalte. Analyst Stefan Kipar von der BayernLB bleibt bei seiner Einschätzung, dass nach wie vor kein Ende des deutschen Aufschwungs in Sicht sei. Er rechnet weiter mit einem vergleichsweise starken Aufschwung, "sofern der globale Handelskonflikt nicht doch noch eskaliert."

(Reuters)

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