Wohnungsknappheit: Bauland über Enteignung mobilisieren?

Die Presse (Clemens Fabry)
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Experten diskutierten bei einem Wohnsymposium über die Möglichkeiten zu Gewinnung von Bauland. Von Sozialbau-Chef Ostermayer gibt es vorsichtige Kritik an langen UVP-Verfahren.

Zur Mobilisierung von Bauland für neue Wohnhäuser wären im äußersten Fall Maßnahmen bis hin zur Enteignung möglich. Über den Bogen der Möglichkeiten diskutierten Fachleute bei einem Wohnsymposium, der Tageszeitung "Standard", dem Wohnfonds Wien und dem Fachmagazin "Wohnen Plus".

Bei der Frage des Einsatzes härterer Maßnahmen - etwa gegen ein Horten oder Spekulieren mit Bauland - geht es immer um eine Abwägung zwischen den Rechten privater Eigentümer und öffentlichen Interessen, betonte Verfassungsrechtler Heinz Mayer. "Enteignet werden darf, wenn es ein ganz dringendes Bedürfnis an Bauland gibt und es keine anderen zivilrechtlichen Möglichkeiten einer Einigung gibt", sagte er. So müsse sich etwa eine Gemeinde schon erst um einen Kauf einer Fläche bemühen. Gebe es in einer Region zu viele ungenutzte Flächen, so könnte es doch ein großes öffentliches Interesse geben, diese dem Bauen zuzuführen. Mayer verwies auf Vorarlberg mit einem angeblich hohen Rückstau.

Der alte Enteignungs-Tatbestand im Bodenbeschaffungsrecht gelte zwar noch, sei aber totes Recht und werde vielleicht abgeschafft, auch weil nicht ideal formuliert. Trotzdem sollte man über diese Möglichkeit für Städtebau oder Wohnzwecke nachdenken, sagt TU-Wien-Professor Arthur Kanonier.

Er verwies auch auf die Stadt-Land-Unterschiede. Sanktionen, um eine fristgerechte Verbauung von gewidmetem Bauland zu erzwingen, würden Gemeinden ungern setzen, da es unpopulär ist. Viele Kommunalen würden sich "scheuen, angedrohte Sanktionen auch zu realisieren". Daher überlege Kärnten, solche Gemeinden ihrerseits zu sanktionieren, "das wird dann aber relativ kompliziert", so der Experte.

Viel Potenzial durch Nachverdichtung

Natürlich brauche es "Eingriffe" zur Mobilisierung von Bauland für den Wohnbau, meinte AK-Ökonom Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunalpolitik in der Arbeiterkammer Wien. Die Wiener Bauordnung sehe durchaus Enteignungen vor, auch wenn diese kaum angewendet würden. Sehr viel Potenzial biete die Nachverdichtung in bestehenden Wohnanlagen, speziell bei Gemeinde- und Genossenschaftsbauten. Noch größer sei das Potenzial bei klassischen Altbauten, doch entstehe dort kein sozialer Wohnbau.

Die Errichter von privaten Luxusdachwohnungen sollten zu einem Drittel-Anteil an geförderten Wohnungen verpflichtet werden, forderte Ritt. Diese Drittel-Pflicht sollte in Wien auch für Gebiete innerhalb des Gürtels gelten. Und in Großwohnbauten aus den 1970er und 1980er Jahren, deren Wohnungen teils für heutige Ansprüche zu groß seien, könnte man die Einheiten verkleinern und auch altersgerecht machen. "Sie müssten dann aber auch billiger werden als das, was aufgegeben wird."

In Wien wären Enteignungen wohl nicht zielführend, meinte Sozialbau-Chef Josef Ostermayer - da der Wohnfonds Wien 2,7 Millionen Quadratmeter Flächen habe, die gemeinnützigen Bauträger jedoch nur einige 100.000 Qu Grundflächen. Derzeit gebe es in Wien noch ausreichend Reserveflächen, die den Wohnbau ermöglichen würden, jedoch benötige Wien wohl 10.000 zusätzliche Wohnungen pro Jahr. Es gebe zwar viele Flächen, die rechtzeitig angekauft worden seien - wo aber die Widmung fehle. Das liege etwa auch an zu langen Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP). Im Städtebau sei diese möglicherweise "überschießend umgesetzt" worden.

(APA)

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