Finnland und sein "verlorenes Jahrzehnt"

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Das einzige skandinavische Euroland hat mit einem hohen Schuldenberg zu kämpfen. Der Finanzminister drängt auf mehr Haushaltsdisziplin: "Es besteht die Gefahr, dass das Wachstum von kurzer Dauer ist."

Eine Nation, die während der europäischen Schuldenkrise im Schulterschluss mit Deutschland die Sparpolitik verteidigt hat, macht sich zunehmend Sorgen um die eigene Schuldenlast. Der finnische Finanzminister Petteri Orpo sagte, sein Land müsse beginnen, das Rekordvolumen von 106 Milliarden Euro an Schulden zurückzuzahlen, bevor die günstige Gelegenheit  verschwindet.

Seit einem Tiefstand im Jahr 2008 haben sich die Schulden in Finnland in fast verdoppelt. In diesem Zeitraum hat das nordische Land ein "verlorenes Jahrzehnt" durchlebt, als die Schrumpfung von Schlüsselbranchen - Papier und Unterhaltungselektronik - 100.000 Arbeitsplätze in der Wirtschaft kostete. Im Vergleich zum finnischen Bruttoinlandsprodukt machen die Schulden heute rund 60 Prozent aus. Das ist zwar immer noch weniger, als etwa Österreich hat, vergleicht man die Zahl aber mit den finnischen Staatsschulden im Jahr 2008 - oder mit der Verschuldung anderer skandinavischer Länder (siehe Grafik), erkennt man sofort, dass Finnland ins Hintertreffen geraten ist:"Wir müssen anfangen, Schulden zu begleichen, bevor uns die schlimmste Kostenlast trifft", sagte Orpo am Samstag in einem Interview mit Bloomberg News.

"Habe lange genug Wirtschaft studiert"

Der wachsende Druck auf die Staatskassen erhöht die Dringlichkeit der Maßnahmen. Finanzminister Orpo warnt, dass die gegenwärtige Konjunkturerholung bald vorüber sein könnte. "Ich habe lange genug Wirtschaft studiert, um zu wissen, dass irgendwann eine Rezession kommen wird", sagte er. "Angesichts der Tatsache, dass Finnland spät in den globalen Wirtschaftsaufschwung gestartet ist, besteht die Gefahr, dass das Wachstum möglicherweise von kurzer Dauer ist."

Orpo sagt außerdem: "In den 2020ern, wenn die Bevölkerung überaltert und wir unsere Flotte von Hornet-Kampfflugzeugen ersetzen, könnte eine Rückzahlung der Schulden ohne ein sehr starkes Wachstum und eine hohe Beschäftigungsquote unmöglich werden. Und dann könnten wir tatsächlich noch etwas mehr Schulden aufnehmen wollen, wenn die schlimmsten der alterungsbedingten Kosten anfallen."

Bevölkerung altert schnell

Die Alterung der Bevölkerung in Finnland, das im nächsten Jahr Parlamentswahlen haben wird, ist fast doppelt so stark wie im Durchschnitt der Europäischen Union. Der Anteil der Menschen im Alter von 65 Jahren und höher stieg laut Eurostat in dem Jahrzehnt von 2007 bis 2017 um 4,4 Prozentpunkte. Die Kurve ist so steil, dass Finnland vor einigen Jahren das am raschesten alternde Land in der EU war. Das erhöht die prognostizierten Pflegekosten und Rentenzahlungen, die von einer schrumpfenden Gruppe von Steuerzahlern getragen werden und verstärkt eine klaffende Lücke in den öffentlichen Finanzen.

(Bloomberg)

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