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Wenn Populisten ihre Liebe zur Olive entdecken

(c) REUTERS (Eric Gaillard)
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Unabhängigkeit von Russland? Versorgungssicherheit? Italiens Minister ziehen Öl aus Flaschen Gas aus Röhren vor.

Es waren einmal eine Gasröhre, 1600 Olivenbäume und wütende Bauern. Es hätte die Geschichte eines lokalen Kampfs um Grund und Boden bleiben können. Hätte Italien Anfang Juni nicht eine neue Regierung bekommen.

Besagte 1600 Olivenbäume wachsen unglücklicherweise seit Jahrzehnten an dem schönen Fleckchen der apulischen Küste, wo der 34 Mrd. Euro teure „Südliche Gaskorridor“ aus Zentralasien nach jahrelangem Bau 2020 sein Ziel erreichen soll. Dass die Bäume ein ernsthaftes Hindernis werden könnten, hätten sich die beteiligten Energieriesen nicht gedacht.

Denn wir sprechen hier von den letzten acht Kilometern einer 3500 Kilometer langen Röhre, die Europa als – zumindest teilweisen – Befreiungsschlag von russischem Gas feiert.

Und schließlich bezieht Italien selbst sein Gas zu mehr als 90 Prozent aus dem Ausland. Erst im Dezember musste es den Energienotstand ausrufen, als nach der Explosion am österreichischen Knoten Baumgarten das Gas aus dem Norden ausblieb. Der damalige Wirtschaftsminister, Carlos Calenda, warb den protestierenden Bauern zum Trotz heftig für die Trans-Adria-Pipeline. Mit der TAP gebe es nie wieder so einen Notstand.

Calenda ist aber nicht mehr. Genauso wie die gemäßigte Mitte-links-Regierung, der er angehört hat. Ihre Nachfolgerin aus linken und rechten Populisten und Nationalisten hält wenig von der Röhre. Der neue Energieminister der Fünf-Sterne-Bewegung, Sergio Costa, nannte sie eine Woche nach seinem Antritt „sinnlos“.

Es ging vielleicht einmal um 1600 Olivenbäume. Jetzt geht es um Globalisierungskritik und eine Front gegen Energiekonzerne, die die Umwelt Süditaliens bedrohen. Da kann der Gouverneur der Region betonen, dass seinen Bauern schon mit einer leichten Verlagerung gen Norden geholfen wäre. Da können die TAP-Betreiber beteuern, jeden Baum behutsam umzupflanzen. Costa ist längst weiter: Er will den gesamten Bau auf den Prüfstand stellen. Es geht ihm nicht darum, wo das Gas fließt, sondern darum, dass es gar nicht erst in Italien ankommt. Das passt schön zur radikalen Umweltpolitik seiner Partei.

Den Projektleitern der TAP, die im schlimmsten Fall mit vier bis fünf Jahren Zeitverlust rechnen, könnte paradoxerweise eines helfen: Populismus. Denn die nationalistische Lega hat als Koalitionspartner ein Wörtchen mitzureden. Und ihr dürfte es etwas wert sein, wenn Italiener am Schalthebel über Milliarden Kubikmeter Gas sitzen. Von Arbeitsplätzen und Folgeinvestitionen ganz zu schweigen. Olivenhain hin oder her.

E-Mails an: antonia.loeffler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2018)

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