Steuerreform frisst Budgetplus

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Die gute Wirtschaftslage beschere der Regierung bis 2022 deutliche Budgetüberschüsse, erwartet das IHS. Die Steuerreform muss dennoch primär durch Einsparungen finanziert werden.

Wien. Diesmal hatten die Ökonomen des Instituts für Höhere Studien (IHS) ausnahmsweise fast nur gute Nachrichten im Gepäck: In den kommenden fünf Jahren werden in Österreich mehr Menschen eine Beschäftigung finden, sie werden länger und produktiver arbeiten, die heimischen Unternehmen werden mehr exportieren, mehr Gewinn erzielen, ihren Mitarbeitern real mehr Lohn bezahlen, und alle zusammen werden mehr Geld ausgeben, um die Wirtschaft über die momentane Hochphase hinaus anzukurbeln.

Bleibt der Welt die Eskalation im globalen Handelsstreit erspart, dürfte Österreichs Bruttoinlandsprodukt im Schnitt bis 2022 um 1,9 Prozent pro Jahr ansteigen, so das Ergebnis der jüngsten Mittelfristprognose des Instituts. Auch am Staat werde das wohl schwächere, aber dafür lang anhaltende Wachstum nicht spurlos vorübergehen. Erstmals seit 65 Jahren könnte die öffentliche Hand dank guter Konjunktur und Niedrigzinsen durchgehend im Plus sein, so die Erwartung. Heuer und im nächsten Jahr werde der Überschuss noch nahe der Nulllinie zu liegen kommen. Ab 2020 rechnet IHS-Ökonom Helmut Hofer aber mit „deutlichen Überschüssen“ für den Finanzminister. 1,5 bis zwei Milliarden Euro Plus erwartet sein Institutschef, Martin Kocher, jedes Jahr.

Arbeitslosenquote bleibt hoch

Auch Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) rechnet damit, dass der Bund in den Jahren 2019 bis 2022 mehr einnehmen als ausgeben wird. Damit das Realität wird, braucht es aber mehr als ein wenig Rückenwind von der Konjunktur.

Denn die optimistische IHS-Prognose geht strikt vom aktuellen Status quo aus. Geplante Ausgaben wie die versprochene große Steuerreform ab 2020 sind daher noch nicht berücksichtigt. Soll sie tatsächlich so groß werden wie angekündigt, werde auch das beste Wirtschaftswachstum nicht reichen, um die Steuerentlastung zu finanzieren, so Kocher. Bestenfalls die Hälfte könne mit den Budgetüberschüssen gedeckt werden. Der Rest müsse über weitere Einsparungen gegenfinanziert werden.

Die Zeit sei dafür besser, als je zuvor, betonte Hofer. „Wann sollen Reformen kommen, wenn nicht jetzt?“, fragt der Ökonom. Wo die Regierung hierbei ansetzen sollte, macht ein weiterer Blick in die Fünfjahresprognose deutlich: Größter Wermutstropfen ist hier die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Obwohl deutlich mehr Jobs geschaffen werden, wird die Arbeitslosenquote 2022 nach nationaler Berechnung immer noch bei 7,4 Prozent – und damit weit über dem Vorkrisenniveau – liegen. Nur einer von fünf neuen Jobs werde traditionell an Arbeitslose vergeben, erklärt Hofer. Der Rest gehe an Junge, Zuwanderer oder andere Neulinge auf dem heimischen Arbeitsmarkt. Lange Zeit habe Österreich damit kein Problem gehabt, weil die Zahl der Langzeitarbeitslosen niedrig war. Das hat sich geändert. Nun seien Qualifizierungsmaßnahmen und vor allem Förderungen im frühen Kindesalter notwendig, um gegenzusteuern.

Verteidigung und Asyl an EU

Reformbedarf orten die Ökonomen nicht nur in Österreich, sondern auch in der EU. Der Vorschlag für den EU-Finanzrahmen sei „viel zu pragmatisch“, der Fokus auf die Debatte Nettozahler gegen Empfänger fatal, so Kocher. Von hundert Euro, die in Österreich verdient werden, fallen 50 Euro Steuern und Abgaben an. Nur ein Euro geht allerdings an die EU, 75 Cent davon kehren nach Österreich zurück. Statt zu streiten, ob es künftig ein Cent mehr oder weniger sein soll, sollten sich die Staaten lieber überlegen, ob ihr Geld bei der EU gut investiert ist, sagt Ko-Autor Benjamin Bittschi. Ist es nicht, so das Urteil der Ökonomen. Brüssel übernimmt Aufgaben, die besser bei den Mitgliedstaaten aufgehoben wären – und umgekehrt. Verteidigung, Asyl und Umweltschutz sollte die EU übernehmen. Umgekehrt hätten die beiden größten Brocken im EU-Budget, die Agrar- und Regionalförderungen, in Brüssel wenig verloren. (auer)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2018)

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