Venezuela: Von der Revolution zur Katastrophe

Familien aus Venezuela auf der Flucht nach Brasilien.
Familien aus Venezuela auf der Flucht nach Brasilien.(c) REUTERS (NACHO DOCE)
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Der Kollaps von Venezuela nimmt Fahrt auf. Die Währung ist ruiniert, eine Flüchtlingskrise droht. Argentinien will das Regime wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzeigen.

Wien. Venezuela sei ein Vorbild, meinte die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Österreichs, Julia Herr, vor etwas mehr als vier Jahren. Sie sollte recht behalten. Venezuela ist tatsächlich ein Vorbild. Aber nicht für die marxistische Traumgesellschaft, die der verstorbene Revolutionär Hugo Chávez anstrebte. Venezuela ist zum schlimmsten abschreckenden Beispiel der Gegenwart geworden. Mit den Ideen von linken Säulenheiligen wie Fidel Castro, Che Guevara und Leo Trotzki ist es Chávez und seinen Nachfolgern gelungen, das erdölreichste Land der Erde derart an die Wand zu fahren, dass die Bevölkerung Not leiden muss.

Die Sozialisten hatten alles im Programm, was seriösen Ökonomen Angstschweiß auf die Stirn treibt: ausufernde Sozialprogramme – finanziert mit frisch gedrucktem Geld. Und Preiskontrollen für Dinge des täglichen Gebrauchs, die private Firmen in den Ruin gedrängt haben. Das erwartbare Ergebnis: Mangel und Inflation.

Letztere hat in Venezuela längst den Hyperdrive eingelegt und wurde schon vor den Maßnahmen des Wochenendes vom Internationalen Währungsfonds mit einer Million Prozent für das heurige Jahr beziffert. Der amtierende Präsident, Nicolas Máduro, ließ die Währung Bolivar nun um weitere 95 Prozent abwerten und am Montag eine neue Währung ausrollen. In einem weltgeschichtlich bis dato einzigartigen Akt ließ er die neue Währung, genannt Souveräner Bolivar, an die Kryptowährung Petro binden.

Benzin kostet jetzt

Das soll dem Geld eine Verankerung verschaffen, denn der Petro soll durch die Ölreserven des Landes gedeckt sein. Angeblich. Praktisch wird der Petro von keinem Land der Welt als Währung anerkannt – und ist auch in der an sich experimentierfreudigen Welt von Bitcoin & Co. als lächerlicher Betrugsversuch verschrien, der die Bezeichnung Kryptowährung nicht verdient. De facto wird die neue Währung Venezuelas also genauso ungedeckt und leicht zu inflationieren sein wie die alte. Keine guten Aussichten für die Landsleute Máduros.

Von denen will der Präsident in Zukunft auch Geld für Benzin verlangen. Das war in Venezuela bisher gratis. Wie genau das neue System funktionieren soll, ist bisher unklar. So soll es weiterhin verbilligten Sprit für Menschen geben, die einen Vaterlandsausweis besitzen. Den dürften rund die Hälfte der knapp 32 Millionen Menschen in dem südamerikanischen Land haben. Die Opposition hat den Vaterlandsausweis stets als Weg kritisiert, die Unterstützer der Regierung zu identifizieren und zu bevorzugen.

Populistische Maßnahmen

Der Präsident sagte, dass das Land durch die neuen Benzinregeln zehn Milliarden Dollar pro Jahr sparen kann. Die Ölförderung ist, wie es sich in einem sozialistischen System geziemt, natürlich verstaatlicht. Wobei die Schlüsselpositionen längst vom Militär besetzt sind, das bisher Máduros wichtigster Verbündeter ist.

Der kündigte bei der Abwertung der Währung auch an, den Mindestlohn um das 34-Fache anheben zu wollen. Eine populistische Maßnahme, die kontraproduktiv wirken wird und die Inflation zusätzlich anheizen sollte. Einige Ökonomen befürchten, dass die Hyperinflation auch die neue Währung binnen weniger Monate vernichten könnte.

Der Einwohner Venezuelas befinden sich längst auf der Flucht. Wer kann, flüchtet mit seinem Kapital in den Dollar. Die junge Generation hat schon lange vor dem Petro echte Kryptowährungen wie Bitcoin für sich entdeckt. Viele versuchen überhaupt, das Land zu verlassen. Der Kollaps des sozialistischen Projekts in Venezuela könnte in Südamerika eine Flüchtlingskrise auslösen. Argentinien, Chile, Paraguay und Kolumbien wollen das Regime in Caracas jetzt wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor den Internationalen Gerichtshof bringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2018)

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