Ernst Fehr ist wegen seiner Forschungsstärke unschlagbar. Christoph Badelt ist der Liebling der Medien. Manch bekannter Name verfehlt das Ranking knapp.
Wien. Es lebe der König! Zum dritten Mal in Folge konnte Ernst Fehr das Ökonomenranking von „Presse“, „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und „Neuer Zürcher Zeitung“ für sich entscheiden. Der gebürtige Vorarlberger, der seit vielen Jahren an der Uni Zürich forscht und lehrt, spielt seine Mitbewerber erneut durch seine enorme Stärke in der Säule „Forschung“ an die Wand. Und zwar nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland und in der Schweiz, wo Fehr das Ranking ebenfalls anführt. Mit einer Ausbeute von rund 15.000 Forschungszitaten ist und bleibt der Verhaltensökonom Klasse für sich. Dafür tut sich auf den Plätzen im Ranking für Österreich heuer einiges.
Während Wifo-Chef Christoph Badelt seinen zweiten Platz als gewichtigste „lokale“ Stimme verteidigen kann, stößt mit Margit Schratzenstaller erstmals eine Frau in die Top drei vor. Die Steuerexpertin hat sich in den vergangenen Jahren stets verbessern können und holt sich heuer die Topplatzierung in der Politikwertung. IHS-Chef Martin Kocher, der 2017 Bronze geholt hat, landet diesmal auf Platz vier.
Schon zum fünften Mal hat die "Presse" gemeinsam mit der "Frankfurter Allgemeinen" und der "Neuen Zürcher Zeitung" die 20 einflussreichsten Ökonomen des Jahres erhoben. Bild: WU Wien Die Presse (Clemens Fabry)
Das Ranking ergibt sich aus folgenden Teilbereichen: Medien Das Schweizer Institut Media TenorInternational hat analysiert, wie häufig Ökonomen von August 2017 bis Juli 2018 mit Einschätzungen in den Medien genannt wurden. Berücksichtigt wurden Zitate über mehr als vier Zeilen, wenn der Wissenschaftler als Ökonom oder Wirtschaftsforscher bezeichnet wurde.Politik „Welche sind die Ökonomen, deren Rat oder Publikationen Sie am meisten für Ihre Arbeit schätzen?“ Diese Frage stellten Econwatch, das Düsseldorf Institute for Competition Economics und die deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften in einer Umfrage Hunderten Abgeordneten, Regierungsmitgliedern und Kabinettsmitarbeitern sowie Spitzenbeamten.Wissenschaft Hier zählt die Zahl der Zitate aus den vergangenen Jahren. Diesen Index hat der Fachverlag Elsevier aus seiner Forschungsdatenbank Scopus berechnet. Scopus ist die größte Zitat- und Abstract- Datenbank der Welt mit 21.000 Zeitschriften. Für dieses Ranking wurden Zitate berücksichtigt, die in den Jahren 2014–2018 veröffentlicht wurden.Klicken Sie weiter zu den Top 20 ... Die Presse (Clemens Fabry)
Uni LuzernHans Werner Sinn hat sich als Kritiker der Rettungs- und Geldpolitik während der Eurokrise auch in Österreich einen Namen gemacht. Nach seiner Pensionierung als Ifo-Chef schwindet aber auch sein Einfluss. Sinn verliert neun Plätze. Vor allem in der Politik war seine Meinung nicht mehr so gefragt wie bisher. (c) imago/Müller-Stauffenberg (imago stock&people)
Nationalbank Schuberth leitet seit 2013 die „Foreign Research Division“ der Nationalbank. Im Ranking war sie bisher nicht vertreten, konnte heuer aber durch einen hervorragenden neunten Platz in der Politik-Umfrage glänzen. Schuberth hat sich auf Geld- und Fiskalpolitik sowie die europäische Integration spezialisiert. (c) Parlamentsdirektion/Carina Ott
ifo-Institut München Der gebürtige Oberösterreicher Felbermayr leitet das Zentrum für Außenwirtschaft des Ifo-Instituts in München. Er kann von seiner Stärke bei der Forschung profitieren. Von Felbermayr wird man wohl noch viel hören, gilt er doch als heißer Kandidat für die Leitung des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. (c) Katharina Roßboth
Wifo, WienDer Wifo-Ökonom Helmut Mahringer ist Experte für die Strukturen des Arbeitsmarktes. Er kann sich im Vergleich zum Vorjahr um zwei Plätze verbessern. Besonders stark war Mahringers Performance in den Medien, wo er ganze neun Plätze gutmachen kann. In den anderen Wertungen bleibt er stabil. Wifo
Universität St. GallenUm drei Plätze verbessern kann sich Christian Keuschnigg. Von der Schweiz aus hat der ehemalige IHS-Chef über sein Wirtschaftspolitisches Zentrum (WPZ) auch hierzulande weiter Einfluss. Vor allem in der Politik sind seine Botschaften heuer besser angekommen als im vergangenen Jahr. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
DIW, Berlin/ Uni BerlinMarcel Fratzscher gehört als Wirtschaftsweiser und Chef des DIW Berlin in Deutschland zur Elite der Ökonomen. Auch in Österreich wird er viel beachtet. Gegenüber dem Vorjahr muss Fratzscher zwar drei Plätze abgeben, er verteidigt aber seinen dritten Rang im Forschungsranking. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
FH des BFI Wien Die Leiterin des Studiengangs „Europäische Wirtschaft und Unternehmensführung“ an der FH des BFI ist heuer die beste Neueinsteigerin. Mit Koautor Johannes Jäger hat sie 2017 den Kurt-Rothschild-Preis in der Kategorie „Pluralismus in der Ökonomie“ erhalten. Springler kann vor allem in der Politik punkten. (c) APA-Campus
Ifo-Institut, München Der aus Münster stammend Clemens Fuest steht seit zwei Jahren an der Spitze des Münchner Ifo-Instituts. Gegenüber dem Vorjahr muss er drei Plätze abgeben, was vor allem der zurückgegangenen Zahl an Medienzitaten geschuldet ist. In den Säulen Politik und Wissenschaft kann er sich leicht verbessern. (c) imago/Reiner Zensen (imago stock&people)
WU, Wien Als Wifo-Chef war Karl Aiginger Dauergast bei Politik und Medien. In der Pension verliert sich sein Einfluss ein bisschen. Der weiterhin als WU-Gastprofessor tätige Aiginger gibt fünf Plätze ab. Vor allem in den Medien war er heuer deutlich seltener als Gesprächspartner gefragt als noch 2017. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Donau Uni Krems Gottfried Haber ist Experte für Gesundheitsökonomie sitzt seit 2013 im Generalrat der Nationalbank. Im Ranking verliert er drei Plätze gegenüber dem Vorjahr. Das ist vor allem seinem schwächeren Abschneiden in der Politikumfrage zu verdanken. Bei Medien und Wissenschaft bleibt er stabil. Die Presse (Michaela Bruckberger)
IHS, WienIHS-Ökonom Helmut Hofer kann sich in zwei Kategorien verbessern und macht gegenüber dem Vorjahr drei Plätze gut. In der Medienwertung schafft es der Experte für Arbeitsmarkt, Lohnstrukturen und Konjunktur heuer sogar aufs Stockerl. Sein politischer Einfluss ist im Vergleich zu 2017 aber gefallen. IHS
Industriellenvereinigung, Wien Der Chefökonom der Industriellenvereinigung schafft es erneut als einziger Vertreter einer Interessensvertretung in das Ranking. Helmenstein kann sich um fünf Ränge verbessern. Zu verdanken hat er das starken politischen Einfluss. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Universität Linz Als Experte für Pfusch und Schattenwirtschaft darf sich Friedrich Schneider über besonders viele wissenschaftliche Zitate freuen. Zweimal hat er das Ranking sogar gewonnen. Im Vergleich zu 2017 fällt der in Konstanz geborene Schneider, der seit mehr als drei Jahrzehnten in Linz lehrt, aber zwei Plätze zurück.
Economica Institut Wien Bernhard Felderer ist ein Evergreen und als Präsident des Fiskalrats eine gewichtige Stimme. Der ehemalige Chef des IHS muss heuer dennoch einige Plätze abgeben und verliert seinen Spitzenplatz in der Politikwertung an Shooting Star Margit Schratzenstaller. Auch bei den Medien fällt er zwei Ränge zurück. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
EcoAustria In seinem ersten vollen Jahr als Direktor von EcoAustria kann Tobias Thomas um ganze elf Plätze verbessern – mit einer starken Performance bei Politik und Medien. Thomas war ab 2013 im Projekt-Team für das Ranking, wird künftig aber nicht mehr an der Erstellung der österreichischen Rangliste beteiligt sein. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Wifo, Wien Stephan Schulmeister hat heuer ein viel beachtetes Buch geschrieben. Das hat geholfen, ihn um vier Plätze nach vorne zu schieben. Der leidenschaftliche Gegner des Neoliberalismus landet beim politischen Einfluss hinter seiner Kollegin Schratzenstaller auf Platz zwei. Auch in der Medien-Wertung verbessert er sich. (c) Clemens Fabry
IHS Wien Im Duell der Wirtschaftsforschungsinstitute muss Martin Kocher heuer zurückstecken. Der IHS-Chef landet diesmal nur auf Platz vier. Bei Medien und Wissenschaft bleibt der Spezialist für experimentelle Wirtschaftsforschung zwar stabil – aber sein politischer Einfluss hat sich gegenüber 2017 leicht abgeschwächt. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Wifo, WienDie Steuerexpertin Margit Schratzenstaller marschiert von Platz fünf aufs Stockerl. Das hat sie vor allem ihrem Einfluss in der Politik zu verdanken, wo sie heuer zur Nummer eins avanciert. Auch in der Wissenschafts-Säule kann sich Schratzenstaller verbessern, bleibt aber im untersten Drittel. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Wifo, Wien Wifo-Chef Christoph Badelt bleibt der einflussreichste Ökonom mit Basis in Österreich. Er kann den Abstand zu Fehr heuer ein bisschen schrumpfen. Der Experte für Sozialpolitik holt sich erneut die Spitzenposition in der Medienwertung und kann bei der Politik einen Platz gut machen. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Universität ZürichSeinen Vorsprung in Sachen Forschung konnte Fehr weiter steigern. Mit fast 15.000 Zitaten hängt er alle Ökonomen im deutschsprachigen Raum ab. Die wachsende Bekanntheit verschafft dem Verhaltensökonomen zwar Einfluss bei Politik und Medien – in diesen Wertungen schafft er es aber nicht in die Top 10. (c) Mirjam Reither
Top 20: Diese Ökonomen prägen Österreich
Es ist bereits das fünfte Mal, dass die drei deutschsprachigen Qualitätsblätter gemeinsam erheben, wer die einflussreichsten Ökonomen des Landes sind. Dabei wird eine bewährte Formel verwendet: Der Einfluss in der Öffentlichkeit wird anhand der Medienpräsenz gemessen. Um die Auswirkungen ökonomischer Ideen bewerten zu können, läuft in allen drei Ländern wochenlang eine Umfrage unter Politikern und Spitzenbeamten, die dann länderspezifisch ausgewertet wird. Die wichtige Forschungssäule wird anhand der Anzahl von Zitaten in einschlägigen ökonomischen Journals bewertet.
Auftritt der Spezialisten
Das ist auch der Grund dafür, warum manch Name aus der ökonomischen Debatte im Ranking nicht aufscheint. Prominente Beispiele sind hier etwa Markus Marterbauer, der Chefökonom der Arbeiterkammer, und Franz Schellhorn, der Leiter der Agenda Austria. Beide schneiden in Politik und Medien gut ab, schaffen es aber nicht über die Hürde von fünf wissenschaftlichen Zitaten. Marterbauer ist bei den Politikern der drittmeist genannte Ökonom, Schellhorn belegt Platz sieben. In den Medien landet der Agenda-Chef sogar auf Rang vier – hinter Christoph Badelt, Martin Kocher und Helmut Hofer (IHS).
Agenda-Ökonomin Monika Köppl-Turyna liegt bei Politik und Medien im Mittelfeld – und verfehlt die Endwertung nur knapp aufgrund der Forschungszitate. Ein ähnliches Schicksal trifft Stefan Bruckbauer, den Chefökonomen der Bank Austria, und den Wifo-Forscher Marcus Scheiblecker. Beide sind in den Medien gefragte Gesprächspartner, schaffen es aber nicht über die Forschungshürde.
Auch innerhalb des Rankings gibt es eine Kluft, was die Forschungszitate betrifft. Vorneweg läuft wie erwähnt Ernst Fehr mit fast 15.000 Zitaten. Nur drei weitere Ökonomen schaffen den Sprung über die 1000-Punkte-Linie: Friedrich Schneider, Martin Kocher und Marcel Fratzscher. Die Zahl der Zitate ist aber kein Urteil über die Qualität der Arbeit eines Ökonomen.
Sie spiegelt viele Faktoren wider. Wer sich aktuell oder in der Vergangenheit vor allem auf die Forschung konzentriert hat, liegt hier im Vorteil. Ebenso jemand, der sich stark spezialisiert hat – wie etwa Fehr und Schneider. Das Ranking zeigt aber auch, dass Ökonomen bei großen deutschen Instituten gegenüber jenen, die in Österreich tätig sind, wohl im Vorteil sind, was die Aufmerksamkeit anderer Forscher betrifft. Im Gegenzug fällt der mediale und politische Einfluss mit steigender geografischer Distanz.
So war Ernst Fehr in den ersten zwei Ausgaben des Rankings gar nicht vertreten, weil ihm die notwendige mediale Aufmerksamkeit in Österreich nicht zuteil geworden war. Das hat sich freilich – auch dank des Rankings – längst geändert. Fälle wie Fehr gibt es auch heute noch. Also Ökonomen, die besonders forschungsstark sind, aber medial und politisch unter der Aufmerksamkeitsschwelle. Etwa Peter Egger, der als Professor für angewandte Wirtschaftsforschung an der ETH Zürich arbeitet – und es auf mehr als 2000 Forschungszitate bringt.
Andere trifft das umgekehrte Schicksal: Sie fliegen aus dem Ranking, weil ihr Einfluss schwindet. Das trifft heuer die WU-Ökonomen Sigrid Stagl und Jesus Crespo Cuaresma. Beide bringen es weder auf genügend Medienerwähnungen noch auf ausreichend Fans in der Politik. Andere erfüllen alle Kriterien, landen aber auf den Plätzen 20 bis 30. Etwa Franz Sinabell, Thomas Url, Angela Köppl und Thomas Leoni (alle Wifo), der Gesundheitsexperte Ernest Pichlbauer und Peter Schnedlitz (WU). Gewichtige Namen wie OeNB-Chef Ewald Nowotny oder Bundespräsident Alexander van der Bellen sind aufgrund ihrer Funktion vom Ranking ausgeschlossen.