Im August kletterte die Inflation in der Türkei auf den höchsten Stand seit 15 Jahren. Experten rechnen, dass die Teuerungsrate in den nächsten Monat weiter stark steigen wird. Der früherer Deutsche Bank-Volkswirt Mayer warnt vor einem "Ansteck-Effekt".
Ankara. Die türkische Wirtschaft befindet sich in einer gefährlichen Abwärtsspirale aus steigender Inflation und massiver Abwertung der türkischen Lira. Am August kletterte die Teuerungsrate auf beängstigende 18 Prozent. Damit hat die Türkei die fünfthöchste Inflationsrate weltweit. Und Ökonomen befürchten, dass sich die Inflation beschleunigen wird. "Der Druck wird enorm in der Türkei", sagt der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, vor wenigen Tagen. "Im September wird die Sache ordentlich hochkochen", meint er und warnt vor einem veritablen "Ansteck-Effekt" für Europa. Die größte Gefahr für die noch sprudelnde Wirtschaft in Europa gehe aktuell von der Türkei aus.
Viele europäische Banken haben türkischen Unternehmen hohe Kredite gegeben. Diese Kredite werden immer teurer. Alleine in diesem Jahr hat die Lira gegenüber Euro und Dollar etwa 40 Prozent an Wert verloren. Laut einer Analyse der niederländischen Bank ABN Amro summiert sich das Türkei-Engagement der europäischen Banken auf immerhin 143 Milliarden Euro. Zu den größten Kreditgebern zählen die spanische Banco Bilbao, die italienische UniCredit und die französische BNP Paribas.
Ratingagentur stufte türksiche Banken herab
Aber auch türkische Geldhäuser kommen unter Druck. Erst vor wenigen Tagen hat die US-amerikanische Ratingagentur Moody's die Bonität von 20 türkischen Banken gesenkt. Umgehend sicherte der türkische Finanzminister Albayrak
Schon jetzt sind die Produzentenpreise in der Türkei um knapp 30 Prozent gestiegen. Noch haben die Unternehmen die Teuerung nicht im vollen Umfang an die Konsumenten weitergegeben. Auf kurz oder lang werden die Verbraucher aber tiefer in die Tasche greifen müssen. Schon jetzt haben sich etwa Lebensmittel um 20 Prozent verteuert, auch die Preise für Benzin und Strom zogen kräftig an.
Einzige Möglichkeit, die Inflation zu stoppen wäre eine kräftige Anhebung der Leitzinsen. Doch Präsident Recep Erdogan will vorerst davon nichts wissen. Steigende Zinsen würden den Wirtschaftsmotor abwürgen. Experten erachten einen Leitzins bei sieben Prozent für angebracht. Die nächste Sitzung der türkischen Notenbank ist am 13. September. Es ist nicht zu erwarten, dass sie die Zinsen stark anhebt. Die Türkei zeige einmal mehr auf, wie wichtig eine politisch unabhängige Notenbank ist, mahnen Beobachter.
Erdogan bekomme nun die Rechnung für seine Schuldenpolitik präsentiert. Die wirtschaftliche Erholung der vergangenen Jahre erfolgte auf Pump. Und die Türkei sei sehr stark im Ausland verschuldet, sagte Mayer.