Zahnlose europäische Arbeitsbehörde

Eine neue EU-Behörde soll ab 2019 Probleme bei der Entsendung von Arbeitnehmern lösen.
Eine neue EU-Behörde soll ab 2019 Probleme bei der Entsendung von Arbeitnehmern lösen.(c) Michaela Bruckberger
  • Drucken

Eine neue EU-Behörde soll ab 2019 Probleme bei der Entsendung von Arbeitnehmern lösen. Durchgriffsrechte gegen säumige Regierungen werden ihr fehlen.

Brüssel. Ein neues Urteil des Gerichtshofs der EU legt den wesentlichen Mangel offen, mit dem die geplante neue Europäische Arbeitsbehörde behaftet ist. Denn sie wird nicht dazu ermächtigt sein, nationale Stellen zur Korrektur oder Löschung von unberechtigt ausgestellten Sozialversicherungsbescheinigungen zu verpflichten. Folglich wird eine der wichtigsten Formen des Missbrauchs des Binnenmarktes und seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit auch dann nicht wirksam bekämpft werden, wenn diese neue Behörde, die ab dem kommenden Jahr ihre Arbeit aufnehmen soll und dies eventuell in Wien tun könnte, einsatzbereit ist.

Was nach einem Detailproblem für Fachleute klingt, ist in der täglichen Praxis der Entsendung von Arbeitnehmern aus einem Mitgliedstaat der Union in einen anderen ein hochbrisanter politischer Streitgrund. Missstände bei der Ausstellung dieser sogenannten A1-Bescheinigungen sorgen vor allem bei den westlichen Einsatzländern von aus Osteuropa entsendeten Arbeitnehmern für viel Unmut.

Frankreichs Regierung beispielsweise schickte im vorigen Jahr eigens eine ministerielle Delegation nach Warschau, um mit den polnischen Regierungsstellen das Unwesen einiger Rechtsanwaltskanzleien zu diskutieren, die reihenweise Briefkastenfirmen eröffnen, um polnische Arbeiter nach Frankreich zu entsenden. Für diese beantragen und erhalten sie A1-Bescheinigungen der polnischen Sozialversicherungsstellen, die sie selbst dann nicht für ungültig und verfallen erklären, wenn ihnen konkrete Belege für Rechtsmissbrauch und Betrug vorgelegt werden. Denn wenn ein entsandter Arbeitnehmer einen solchen A1-Schein hat, bedeutet das, dass er im Sozialsystem seines Entsendestaates bleibt. Der Auftraggeber erspart sich somit die höheren Sozialabgaben im westlichen Land, wo er seine Arbeit erbringt.

Die Rechtssache Alpenrind

Das am Donnerstag verkündete Urteil in der Sache C-527/16 (Alpenrind u. a.) veranschaulicht dieses Problem. Der Gerichtshof hält hier zwar fest, dass ein entsandter Arbeitnehmer, der einen anderen entsandten Arbeitnehmer ablöst, grundsätzlich an seinem Arbeitsort sozialversichert werden muss, auch wenn er von einem anderen Arbeitgeber entsandt wird. Das wäre im konkreten Fall Österreich, wo der Salzburger Schlachtbetrieb Alpenrind ansässig ist. Jedoch hält der Gerichtshof auch fest, dass selbst eine rückwirkend ausgestellte A1-Bescheinigung verbindlich ist, solange sie vom Entsendeland „weder widerrufen noch für ungültig erklärt worden ist“. Die ungarischen Schlachtarbeiter, um die es hier geht, blieben also in Ungarn versichert.

Im angeführten Fall muss der Verwaltungsgerichtshof anhand des EuGH-Urteils prüfen, wie er vorgehen soll. Die zu schaffende EU-Arbeitsbehörde brächte keine wirksame Abhilfe. Sie soll laut dem Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission nur „bei Streitigkeiten zwischen mitgliedstaatlichen Behörden über die Anwendung der einschlägigen Unionsvorschriften“ vermitteln oder als Mediator helfen. Durchgriffsrechte gegen säumige Behörden wird sie jedoch nicht bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.