Echte Staatsverschuldung: Eine Billion Euro

Hohe künftige Ausgaben für Pensionen, Gesundheit und Pflege sind Gründe für die Staatsschuld.
Hohe künftige Ausgaben für Pensionen, Gesundheit und Pflege sind Gründe für die Staatsschuld.APA/HELMUT FOHRINGER
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Ohne einschneidende Reformen werden ungebremste Ausgabendynamik und steigende Zinsen die Staatsschuld nach einer nur vorübergehenden Erholung bald wieder explodieren lassen, sagen Wirtschaftsforscher.

Wien. Die Staatsschuldenquote wird irgendwann in den kommenden Jahren zwar zum ersten Mal seit der Euro-Einführung unter die Maastricht-Grenze von 60 Prozent des BIPs fallen. Ohne einschneidende Reformen ein paar Jahre später aber wieder völlig entgleisen und steil ansteigen. Das ist das Ergebnis des heute veröffentlichten jüngsten „Staatsschuldenchecks“ des Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria.

Schuld sind hohe künftige Ausgaben für Pensionen, Gesundheit und Pflege sowie voraussichtlich stark steigende Zinsbelastungen für die Staatsschuld, denen keine adäquaten Einnahmensteigerungen gegenüberstehen. Diese und andere künftige Belastungen (etwa die geplanten Milliardenausgaben für Bahninfrastruktur) stehen schon fest, finden sich in der offiziellen Staatsschuld aber noch nicht, weil die entsprechenden Kredite noch nicht aufgenommen wurden.

Zählt man diese implizite Staatsverschuldung dazu, dann steht die Republik laut Eco Austria effektiv mit mehr als einer Billion Euro (exakt 1090 Mrd. Euro) in der Kreide. Die tatsächliche Staatsschuldenquote beträgt demnach 308 Prozent.

Gegenüber dem letzten Schuldencheck vor drei Jahren ist die effektive Staatsverschuldung in Relation zum BIP zwar von 315 auf 308 Prozent leicht gesunken. Das lag aber praktisch ausschließlich an der sehr gut laufenden Konjunktur und den anhaltend niedrigen Zinsen für die Staatsschuld.

Beides wird aber nicht so bleiben. Besonders die Zinsen für die Staatsschuld bereiten den Wirtschaftsforschern Sorgen. Derzeit gibt der Staat rund 2,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Zinszahlungen aus. Bis 2060 dürfte diese Belastung laut Eco Austria auf 6,2 Prozent des BIPs steigen.

Sehr hoch ist die Ausgabendynamik aber auch in den Bereichen Gesundheit, Pensionen und Pflege. Was überwiegend an der demografischen Entwicklung liegt. Zwar wird bei einer von 8,7 auf 9,8 Millionen Einwohner steigenden Bevölkerung der Anteil der unter 15-Jährigen bis 2060 deutlich von 21,4 auf 24,5 Prozent zunehmen. Der für die Pensionsfinanzierung relevante Anteil der über 65-Jährigen im Verhältnis zu den 15- bis 24-Jährigen verschlechtert sich aber dramatisch von derzeit 27,5 auf 49 Prozent. Übersetzt: Kommen derzeit knapp vier potenzielle Beitragszahler auf einen Pensionisten, werden es im Jahr 2060 nur noch zwei sein.

Rein mathematisch müsste man bis dahin die Beiträge drastisch erhöhen und/oder die Pensionen deutlich kürzen. Oder das Verhältnis durch eine Anhebung des Pensionsantrittsalters im Lot halten. Die Wirtschaftsforscher plädieren für Letzteres. Zusätzlich sollte die Pflegefinanzierung auf eine solide Basis gestellt werden.

Von Nachhaltigkeit, resümieren die Ökonomen, ist in den österreichischen Staatsfinanzen jedenfalls keine Spur zu entdecken. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass die Staatsschuldenquote, die im Vorjahr noch bei 78 Prozent lag, derzeit konjunkturbedingt sinkt. Wenn auch langsam: Während viele Euroländer die 60-Prozent-Quote schon erfüllen und Deutschland beispielsweise heuer darunter kommen dürfte, wird Österreich (das dieses Maastricht-Kriterium während seiner Euromitgliedschaft übrigens noch nie erfüllt hat) erst im Jahr 2024 unter diese Grenze kommen. Keine zehn Jahre später dürfte die Schuldenquote die Maastricht-Grenze aber wieder nach oben durchstoßen – um dann steil in Richtung 120 Prozent zu schießen.

Mit Einnahmensteigerungen ist diese Lücke nicht zu schließen, meinen die Wirtschaftsforscher. Reformiert werden müsse auf der Ausgabenseite. Und zwar dort, wo die Ausgaben am stärksten steigen. „In ihrer jetzigen Verfassung“, meinen die Ökonomen, seien die österreichischen Staatsfinanzen „nicht nachhaltig“. (ju)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2018)

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