Österreichs Plan für Europas Industrie

Intelligente Roboter rücken in die Fabriken vor. Dieses Exemplar hat es sogar schon ins Museum geschafft.
Intelligente Roboter rücken in die Fabriken vor. Dieses Exemplar hat es sogar schon ins Museum geschafft. (c) imago/epd (Friedrich Stark)
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Die Wirtschaftsministerin fordert einen freigiebigeren Umgang mit Daten in der EU, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Firmen sollen Daten von US-Konzernen und EU-Staaten erhalten.

Wien. Europas Industrie lebt heute stark von ihrer Vergangenheit. Und sie lebt nicht schlecht davon. Immer noch sorgen Europas Fabriken für die Hälfte aller Exporte, stellen zwei Drittel der Investitionen in Forschung und Entwicklung und sichern über 50 Millionen Menschen den Arbeitsplatz. Doch vom Brüsseler Ziel, die Industriequote bis 2020 auf ein Fünftel der Wirtschaftsleistung zu hieven, ist man mit aktuell 15,9 Prozent weit entfernt. Mit den Rezepten von gestern wird das nicht gelingen. Denn der technologische Fortschritt zwingt die Branche in den nächsten fünf Jahren zum größten Umbruch seit Dekaden.

Kommenden Mittwoch beraten die EU-Wettbewerbsminister darüber, wie sich die europäische Industrie künftig gegen die Konkurrenz aus Asien und USA durchsetzen könnte. Österreich wird im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft einen Vorschlag einbringen. Der „Presse“ liegt das Papier bereits vor. Was Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) darin fordert, dürfte vor allem außerhalb Europas nicht unbedingt auf großen Enthusiasmus stoßen.

Mehr Daten statt weniger Lohn

Heikle Themen wie der laufende Kampf der Industrie gegen höhere EU-Klimaschutzziele werden zwar ausgeklammert. Stoff für Diskussionen gibt es dennoch mehr als genug: „Niedrige Löhne werden die Attraktivität der EU als Wirtschaftsstandort nicht antreiben“, stellt das Wirtschaftsministerium einleitend fest. Statt nur die Kosten zu drücken, müsse Europas Wirtschaft die eigene Innovationskraft drastisch erhöhen.

Die neuen Schlüsseltechnologien Künstliche Intelligenz (KI), Roboterisierung und Big Data in der Industrie sollen 2025 bis zu zwölf Billionen Euro in Europa erwirtschaften. Doch damit das gelingt, müsse der Kontinent deutlich mehr Geld ausgeben. 2016 investierte Europa etwa 3,2 Milliarden Euro für KI. In Asien waren es 9,7 Milliarden, in den USA 18,6 Milliarden Euro.

Um nicht auch die zweite Runde der Digitalisierung zu verschlafen, müsse die EU die Forschungsquote endlich auf die vereinbarten drei Prozent heben, den Aufbau einer Batterieindustrie fördern, die Menschen gezielter ausbilden und auch das Beihilferecht überdenken, damit europäische Firmen nicht gegenüber der Konkurrenz aus dem spendablen China ins Hintertreffen geraten.

Die wichtigste Forderung in der österreichischen Presidency Note lautet aber: Europas Industrie braucht Daten. Künstliche Intelligenz, oder präziser Machine Learning, funktioniert nur, wenn die Unternehmen ihre schlauen Programme mit massenhaft Daten antrainieren dürfen. In Asien und den USA sind die Regeln dafür – anders als in der EU – sehr locker. Um diesen Nachteil wettzumachen, solle Europa nun den Datenschatz der öffentlichen Hand anonymisiert an die Betriebe weitergeben, fordert das Wirtschaftsministerium. Im April hatte die Regierung mit dem Plan, anonymisierte Gesundheitsdaten der Österreicher an Forscher weiterzugeben, bereits für einen Aufschrei der Datenschützer gesorgt. Doch „wir können Künstliche Intelligenz und Robotics nur weiterentwickeln, wenn wir den Zugang zu Daten haben“, bekräftigt Schramböck.

Google soll teilen lernen

Das Wirtschaftsministerium geht noch einen Schritt weiter: Die Europäische Union solle „einen Weg finden, dass US-Internetunternehmen mit mehr als 30 Prozent Marktanteil in Europa ihre Daten anonymisiert an europäische Unternehmen weitergeben müssen“, heißt es. Eine ähnliche Diskussion trat kürzlich die deutsche SPD los, die vorgeschlagen hatte, Facebook, Google und Co. zum Teilen ihrer Daten zu zwingen, um deren Marktmacht zu brechen.

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Doch bekommt Europa tatsächlich eine Hand in die Schatztruhe der Datengiganten, wäre das eine Revolution für alle Unternehmen – nicht nur für die Industrie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2018)

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