Deutschland: Merkel vollzieht die Dieselwende

Lässt sich hier ein Stickoxidfilter einbauen? Eine Dieselnachrüstung stößt auf viele Probleme.
Lässt sich hier ein Stickoxidfilter einbauen? Eine Dieselnachrüstung stößt auf viele Probleme.(c) REUTERS (Kai Pfaffenbach)
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Um Dieselfahrverbote abzuwenden, fällt ein Tabu: Die Autobauer sollen nun doch auch Hardware nachrüsten.

Wien/Berlin. Die Zeit drängt. Durch ein Gerichtsurteil für Frankfurt drohen in vielen deutschen Städten Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Vor allem aber: In Hessen, wo Frankfurt liegt, droht in sechs Wochen eine Wahlniederlage von CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier, der dort zusammen mit den Grünen regiert. Eine ähnliche Situation gab es 2011, vor einer Landtagswahl in Baden-Württemberg. Damals rief Kanzlerin Angela Merkel, unter dem Eindruck der Atomkatastrophe in Japan, die Energiewende aus. Jetzt steht eine Dieselwende ins Haus: Merkel hat sich, spät aber doch, die Hardware-Nachrüstung von Dieselfahrzeugen auf die Fahnen geschrieben. Die deutschen Autokonzerne, die seit Jahr und Tag massiv gegen den Einbau von Stickoxid-Katalysatoren lobbyieren, erleben ihren „Fukushima-Moment“.

Bis jetzt konnten sie auf die Unterstützung der bayerischen CSU zählen, vor allem von Verkehrsminister Andreas Scheuer. Aber die bisherigen Maßnahmen – Software-Updates und Umtauschprämien – sind ohne Wirkung geblieben. Die Wut der 15 Millionen deutschen Dieselfahrer ist ungebrochen. Nun beugt sich die Politik dem Druck. Scheuers Plan, den er den Autobauern in einer ergebnislosen Krisensitzung am Sonntag präsentiert hat, enthält erstmals auch Nachrüstungen. In welchem Ausmaß, darüber wird in dieser Woche noch heftig gerungen. Am kommenden Montag, hat Merkel versprochen, soll der Koalitionsausschuss ein Paket absegnen. Bis dahin hat das Kanzleramt das Thema als Chefsache an sich gezogen, zwei Spitzentreffen sind fixiert.

Nur um zehn „Intensivstädte“

Aber die Grundzüge einer Einigung lassen sich anhand des Scheuer-Plans schon ablesen. Alle Maßnahmen sollen laut „Spiegel“ und Bayerischem Rundfunk nur für einen Umkreis von 70 Kilometer um zehn „Intensivstädte“ gelten, wo die Stickstoffoxidbelastung bei über 55 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegt. Damit ginge es nur um 1,3 Mio. Fahrzeuge. Für ältere Dieselmodelle (mit dem Emissionsstandard Euro 4 oder weniger, aber auch ältere Euro-5-Modelle) ist ein Umbau technisch gar nicht möglich, der nötige Bauraum fehlt. Ihre Besitzer sollen ein großzügiges Umtauschangebot erhalten. Details hierzu fehlen aber noch. Zweite Variante: ein Rückkauf. Dabei erhalten die Besitzer den Zeitwert, gekürzt um einen geschätzten Wertverlust durch die Debatte von 20 Prozent.

Jüngere Euro-5-Modelle ab dem Baujahr 2015 könnten theoretisch durch eine Hardware-Nachrüstung auf den aktuellen Emissionsstandard gebracht werden. Selbst einbauen wollen die Autobauer die Stickoxidfilter auf keinen Fall. Sie fürchten Haftungsprobleme, wenn sich durch die Umrüstung Nachteile für den Verbraucher ergeben (so erwarten Experten etwa einen Spritmehrverbrauch von bis zu zehn Prozent).

Also müssten Werkstätten auf die Nachrüstsätze der Zulieferer zurückgreifen. Wie es dann mit der Zulassung und den Garantien aussieht, ist noch völlig offen. Die Kosten für die Nachrüstung sollen zur Gänze die Autobauer zahlen. Den Einsatz von Steuergeldern in großem Stil will man tunlichst vermeiden. Staatliche Unterstützung soll es allenfalls für die Umrüstung von Liefer- und Handwerkerfahrzeugen geben.

Die Maßnahmen würden auf einer „freiwilligen Selbstverpflichtung“ der deutschen Hersteller beruhen. Ausländische Produzenten weigern sich bisher, bei den Umtauschprämien mitzumachen. Was aber, wenn die von Berlin so lang geschonten deutschen Autobauer sich querlegen? Merkel hat ein Druckmittel: Die Hersteller brauchen politischen Beistand in Brüssel, wo es ihnen um die Abmilderung der CO2-Ziele geht. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2018)

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