Probleme bei Erdoğans Prestigeprojekt

Der Tower des neuen Istanbuler Flughafens ist bereits fertig. Der Rest vielfach noch nicht.
Der Tower des neuen Istanbuler Flughafens ist bereits fertig. Der Rest vielfach noch nicht.(c) Getty Images (Chris McGrath)
  • Drucken

Mit sechs Pisten soll der neue Flughafen von Istanbul die Fortschrittlichkeit der Türkei zeigen. Doch trotz massiven Drucks hakt es beim Zeitplan für den Airport, der dereinst wohl Erdoğans Namen tragen wird.

Seit Monaten kündigt die türkische Regierung stolz den bevorstehenden Start für eines der wichtigsten Prestigeprojekte des Landes an: Am Nationalfeiertag am 29. Oktober soll der neue Istanbuler Großflughafen offiziell den Betrieb aufnehmen. Präsident Recep Tayyip Erdoğan persönlich will den Airport einweihen. Doch jüngst mussten die Flughafenbetreiber einräumen, dass der reguläre Flugbetrieb erst Ende Dezember aufgenommen wird. Zugleich bestätigten sie eine schwere Panne bei den Bauarbeiten, die Fragen nach der Sicherheit des neuen Airports aufkommen lässt.

Mehr als 20 Milliarden Dollar kostet die Errichtung des Mega-Flughafens, der im Endausbau mit einer Kapazität von rund 150 Millionen Passagieren und sechs Start- und Landebahnen im Jahr der größte der Welt werden soll – und möglicherweise Erdoğans Namen tragen wird. Die Pisten sowie ein riesiges Terminal haben Zehntausende Arbeiter seit dem Baubeginn vor dreieinhalb Jahren im Auftrag eines Konsortiums aus regierungsnahen Baufirmen aus dem Boden gestampft. Während sich Deutschland mit den immer neuen Verzögerungen am geplanten Berliner Hauptstadtflughafen blamiere, zeige die Türkei, wie es gemacht wird – so lautet die Botschaft der Regierung in Ankara. Der neue Flughafen am Schwarzen Meer nördlich von Istanbul wird so zum Symbol von Erdoğans „neuer Türkei“.

Doch der schöne Schein trügt. Erst vor Kurzem brachen an der Baustelle heftige Proteste von Arbeitern aus, die gegen eine menschenunwürdige Unterbringung und gefährliche Arbeitsbedingungen demonstrierten – nach Recherchen einer Oppositionszeitung sind bei Arbeitsunfällen am Flughafen bisher mehr als 400 Menschen ums Leben gekommen. Die Regierung ließ die Proteste niederschlagen, die Justiz geht gegen Gewerkschaftsvertreter vor.

Da die Betreiber möglichst rasch mit Starts und Landungen Geld verdienen wollen und auch die Regierung auf einen baldigen Abschluss der Arbeiten dringt, herrscht ein hoher – und nach Meinung von Kritikern unverantwortlicher – Zeitdruck. Die regierungskritische Nachrichtenplattform Diken meldete, manche Arbeiter schufteten 70 oder gar 100 Stunden die Woche. Selbst der Sonntag sei als einziger arbeitsfreier Tag der Woche gestrichen worden.

Trotzdem musste der ursprüngliche Plan aufgegeben werden, den Istanbuler Flugverkehr am 29. Oktober quasi über Nacht auf den neuen Airport umzustellen, wie Flughafenchef Kadri Samsunlu unlängst gegenüber einer Gruppe von Journalisten regierungstreuer Medien einräumen musste. In rund einer Woche werde der Flughafen lediglich „teilweise eröffnet“, sagte Samsunlu. Der eigentliche Umzug des Flugverkehrs vom bisherigen Atatürk-Flughafen zum neuen Airport sei auf den 31. Dezember verschoben worden.

Um den Schein zu wahren, nimmt die halbstaatliche Fluglinie Turkish Airlines zwei Tage nach der Eröffnungsfeier vom 29. Oktober einige wenige Linienflüge vom neuen Airport aus auf. Die allermeisten Flüge werden jedoch bis Dezember weiter über den alten Flughafen abgewickelt. Ob es Ende des Jahres dann richtig losgehen kann, ist nicht völlig sicher.


Schwierige Zufahrt. Doch auch dann sind wichtige Zufahrtswege aus Istanbul zum 35 Kilometer entfernten Airport noch im Bau, die U-Bahnverbindung soll überhaupt erst im nächsten Sommer eröffnet werden. Derzeit sei der neue Flughafen nur schwer zu erreichen, notierte die Online-Zeitung „Habertürk“, die der Baustelle einen Besuch abstatten durfte.

Schon frühere Aussagen der Betreiber haben sich als unhaltbar erwiesen. Im August machten in Oppositionsmedien dramatische Bilder eines riesigen Kraters auf dem künftigen Vorfeld des Flughafens nahe des Terminals die Runde. Die Baufirmen erklärten damals, das Loch sei absichtlich ausgehoben worden.

Doch nun bestätigte Flughafenchef Samsunlu, dass Arbeiten an der U-Bahn damals den Asphalt einstürzen ließen. Die Start- und Landebahnen seien jedoch sicher, fügte Samsunlu hinzu. Flughafengegner warnen dagegen, die Bodenverhältnisse am neuen Flughafen seien instabil und potenziell gefährlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Noch ist der Flughafen nicht fertiggestellt (Bild vom 9. Oktober).
Österreich

Erdogan eröffnet neuen Mega-Flughafen in Istanbul

Am heutigen Nationalfeiertag wird der neue Flughafen in Istanbul eröffnet. Bei Vollbetrieb soll er der größte weltweit sein. Für die Regierung ist das Projekt ein wichtiger Schritt zur Schaffung einer "neuen Türkei."
Themenbild zum neuen Istanbuler Flughafen
Weltjournal

Hunderte Festnahmen nach Arbeiterprotesten am Istanbuler Flughafen

Die Arbeiter waren aus Protest gegen die gefährlichen Arbeitsbedingungen und ihre schlechte Wohnsituation in Streik getreten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.