Die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi überschattet die wichtige Wirtschaftskonferenz in Saudi-Arabien. Doch Berater erwarten, dass es bald wieder "Business as usual" geben werde.
Als Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman vor einem Jahr bei der Future Investment Initiative (FII) auftrat, wurde er als Visionär und Reformer gefeiert. Bei der am Dienstag beginnenden zweiten Ausgabe des Wirtschaftsforums in Riad wird jedoch ein dunkler Schatten auf dem Thronfolger liegen, da er im dringenden Verdacht steht, die Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi im Istanbuler Konsulat seines Landes angeordnet zu haben. Neben einem massiven Imageschaden drohen dem Königreich nun handfeste wirtschaftliche Konsequenzen.
Salman wollte auf dem Treffen, das in Anspielung auf den berühmten Wirtschaftsgipfel in den Schweizer Alpen "Davos in der Wüste" genannt wird, eigentlich sein ehrgeiziges wirtschaftliches Reformprogramm präsentieren und um Investitionen werben. Wegen des Falls Khashoggi haben in den vergangenen Wochen aber dutzende Politiker, Unternehmer und Medienkonzerne ihre Teilnahme für die Konferenz am Dienstag abgesagt.
Die Erklärung Saudi-Arabiens, dass Khashoggi am 2. Oktober während eines Besuchs im Istanbuler Konsulat bei einer "Schlägerei" getötet worden sei, trifft weltweit auf Skepsis, nachdem das Königreich mehr als zwei Wochen behauptet hatte, der Journalist habe das Konsulat lebend verlassen. Befeuert werden die Zweifel durch Medienberichte, wonach Khashoggi im Konsulat gefoltert, getötet und in Stücke geteilt wurde.
Riad ist bemüht, Mohammed bin Salman von dem Fall zu distanzieren, doch bleibt der Verdacht, dass der ungestüme Kronprinz hinter der Tötung des unbequemen Kritikers steht. Für MbS, wie der 33-jährige Thronfolger genannt wird, hat sich der Fall zu einer "akuten Public-Relations-Krise entwickelt", wie die Beratungsfirma Eurasia Group schreibt. Sein Image als mutiger Reformer des Ölstaats ist erst einmal dahin.
Neben Medien wie CNN, Bloomberg, "The Economist" und der "Financial Times" haben auch die Großbank JP Morgan, der Autohersteller Ford und der Fahrdienstanbieter Uber abgesagt. Nachdem Siemens-Chef Joe Kaeser unter enormen öffentlichen Druck geriet, sagte auch er am Montag seine Teilnahme ab. Die Deutsche Bank will ebenfalls nicht länger vertreten sein. Diverse westliche Wirtschafts- und Finanzminister haben ihre Teilnahme annulliert.
Bald wieder Business as usual?
"Die Ubers und JP Morgans der Welt haben kalkuliert, dass die Kosten, mit der Marke MbS in Verbindung gebracht zu werden, derzeit höher sind als die Kosten, einen Anteil an Saudi-Arabiens Wirtschaft zu verlieren", sagt der Regionalexperte Michael Stephens. Für Saudi-Arabien ist dies schmerzhaft, da es trotz des jüngsten Anstiegs des Ölpreises auf über 80 Dollar pro Barrel dringend weiter ausländische Investitionen benötigt.
"Trotz des Geredes von Reformen bleiben die ausländischen Direktinvestitionen in Saudi-Arabien gering, und der Skandal wird die Unsicherheit der Investoren nur verstärken", warnen die Analysten von Capital Economics. Die diplomatischen Querelen mit Kanada und Deutschland nach Kritik an der Verfolgung der Opposition und der forschen Außenpolitik des Landes haben bereits westliche Unternehmer vorsichtig werden lassen.
Die Absagen großer Unternehmen bei der FII-Konferenz seien "mehr als eine bloße Imagefrage" für Saudi-Arabien, sagt die Analystin Cinzia Bianco von Gulf State Analytics. Die Botschaft der Konzerne an MbS sei, "genug des Abenteurertums, der Instabilität und der Ungewissheit". Gerade ehrgeizige Projekte des Kronprinzen wie die High-Tech-Stadt Neom dürften sich schwerer tun, die nötigen Investitionen im Ausland zu finden.
Allerdings wäre es verfrüht, von einer Isolation Saudi-Arabiens zu sprechen. Unternehmen aus Russland oder China machen keine Anstalten, ihre Teilnahme abzusagen. Auch viele westliche Firmen wollen den Kontakt nicht ganz abreißen lassen und schicken statt ihrer Chefs andere Vertreter nach Riad. Ghanem Nuseibeh von der Beratungsfirma Cornerstone Global Associates erwartet daher, dass es bald wieder "Business as usual" sein werde.
Die Sache mit dem Khashoggi-Double
(APA/AFP)