Bahnen erhöhen Löhne, Gewerkschaft kritisiert "Alibi-Aktion"

Die Presse (Clemens Fabry)
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Obwohl es keine Kollektivvertrags-Einigung gibt, erhöhen ÖBB und andere Bahnen die Löhne und Gehälter - für die Gewerkschaft vida eine "Unverschämtheit".

Bei der Bahn gibt es bisher keine Kollektivvertrags-Einigung, doch die Arbeitgeber setzen nun auf freiwillige Lohn- und Gehaltserhöhungen: Der Fachverband Schienenbahnen in der Wirtschaftskammer empfahl eine Erhöhung um 3 Prozent ab 1. Oktober, was durchgerechnet 2,4 Prozent ergibt. ÖBB, Westbahn und andere wollen dem folgen. Die Gewerkschaft vida sieht eine "Alibi-Aktion" und "Unverschämtheit".

Da der alte Kollektivvertrag bereits Ende Juni ausgelaufen ist, und die Empfehlung des Fachverbands Schienenbahnen an seine Mitglieder auf 3 Prozent Lohnerhöhung ab 1. Oktober lautet, bedeute dies durchgerechnet eine Erhöhung um 2,4 Prozent, erläuterte Fachverbands-Obmann Thomas Scheiber gegenüber der APA.

Die 2,4 Prozent ergeben sich bei einer Rechnung von 3 Monaten ohne Erhöhung (Juli bis September 2018) und 12 Monaten mit 3 Prozent Erhöhung. Rechnet man drei Monate ohne Erhöhung und neun Monate mit 3 Prozent Erhöhung, also bis Ende Juni 2019, würden sich auf ein Jahr durchgerechnet 2,25 Prozent ergeben. Zum Vergleich: Die Inflationsrate lag im September bei 2,0 Prozent, im August bei 2,2 Prozent und im Juni bei 2,0 Prozent.

Die Erhöhung um 3 Prozent sei kein KV-Abschluss, sondern eine Zahlung der Arbeitgeber in Vorausschau auf den KV. "Ich gehe davon aus, dass die Arbeitgeber im Schnitt 0,7 Prozentpunkte über der Inflationsrate zahlen", sagte Scheiber. Er rechne nicht damit, dass die jetzige Erhöhung ein Jahr lang gelte, sondern dass bei einer Einigung die jetzige Zahlung in der neuen Regelung berücksichtigt werde.

Die ÖBB haben bereits ihrer Belegschaft angekündigt, dass sie die Fachverbands-Empfehlung befolgen werden. Auch die Westbahn, die Niederösterreichische Verkehrsgesellschaft, Stern und Hafferl (Gmunden), die Innsbrucker Verkehrsbetriebe und andere wollten dieser Empfehlung des Fachverbands folgen, sagte Scheiber am Donnerstag zur APA. "Ich hab noch kein Nein gehört". Er gehe davon aus, dass die Mehrheit der Bahn-Beschäftigten von der Befolgung dieses Aufrufs erfasst werde.

KV-Verhandlungen gehen weiter

Trotz des Vorpreschens der Arbeitgeber sollen die KV-Verhandlungen weiter gehen: Neuer Verhandlungstermin sei der 21. November, Scheiber rechnet aber für diesen Termin nicht mit einer Einigung. Die Forderungen der Gewerkschaft seien dermaßen hoch, dass es eine Gesamtbelastung von 10 Prozent ergeben würde, meint er. Bei einer Einigung mit der Gewerkschaft kann sich Scheiber ein Aufrollen rückwirkend ab 1. Juli schwer vorstellen, da dies auch die Bilanzen betreffen würde. Er könne sich nur einen Abschluss für das folgende Jahr vorstellen. "Wir haben viele Themen mit der Gewerkschaft zu diskutieren", sagte er.

Der Fachverband Bahn hatte nach der erfolglosen siebenten Verhandlungsrunde mit der Gewerkschaft am Donnerstag mitgeteilt, er empfehle den Mitgliedsunternehmen eine freiwillige Gehaltserhöhung für deren Belegschaft um 3 Prozent ab 1. Oktober.

Die Gewerkschaft vida hatte den Vorstoß als "Alibi-Angebot" und "Unverschämtheit" zurückgewiesen und eine Gehaltserhöhung gefordert, die sich aus der Inflationsabgeltung, dem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sowie aus den Produktivitätszuwächsen der Mitarbeiter zusammensetzen müsse. Dass Österreich das "Bahnland Nummer eins" in der EU sei, sei dem enormen Einsatz und der sehr hohen Produktivität der Mitarbeiter zu verdanken. Für ihre Leistungen haben sich die Beschäftigten eine entsprechende Gehaltserhöhung verdient, betonte Günter Blumthaler, Vorsitzender des Fachbereichs Eisenbahn in der Gewerkschaft vida.

Die Sozialpartner verhandeln die Kollektivverträge für rund 45.000 Beschäftigte bei den über 65 österreichischen Eisenbahnunternehmen. Größtes Unternehmen ist die staatliche ÖBB. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) folgen der Empfehlung des Fachverbands und erhöhen für die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Löhne und Gehälter "freiwillig" und "unverbindlich" ab 1. Oktober um 3 Prozent. Gleichzeitig werde an die Sozialpartner appelliert, die Kollektivvertragsverhandlungen bald fortzusetzen, wie von der APA aus Bahnkreisen zu erfahren war.

(APA)

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