Auch Langzeitarbeitslose finden wieder Jobs

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Wegen des anhaltenden Wirtschaftsaufschwungs sinkt nun auch die Zahl der Menschen, die schon länger als zwölf Monate arbeitslos sind. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen hat sich in den letzten zehn Jahren aber verdreifacht.

Wien. Österreich hat ein Problem, und es ist vergleichsweise neu: die Langzeitarbeitslosigkeit. Die Zahl der Menschen, die schon zwölf Monate oder länger keinen Job haben, hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht. Ende Oktober waren in Österreich inklusive der Schulungsteilnehmer 365.553 Menschen arbeitslos. Mehr als ein Drittel von ihnen war langzeitbeschäftigungslos – das heißt, von kurzen Unterbrechungen wie Schulungen abgesehen, ein Jahr oder länger ohne Job.

So gesehen konnte das Sozialministerium am Freitag eine gute Nachricht vermelden: Im Oktober gab es um 16Prozent weniger Langzeitarbeitslose als vor einem Jahr. Bei den Langzeitbeschäftigungslosen (hier werden auch Unterbrechungen wie für Schulungen berücksichtigt) betrug der Rückgang elf Prozent auf 100.237.

Das Arbeitsmarktservice (AMS) spricht von einer typischen Entwicklung im Konjunkturaufschwung: „Als Erstes gehen die Personen mit den besseren Arbeitsmarktchancen aus der Arbeitslosigkeit ab, dann erst folgen allmählich auch diejenigen mit den größeren Schwierigkeiten bei der Jobsuche“, heißt es in einem Bericht vom Freitag. Das kann man so interpretieren, dass Unternehmen in der Hochkonjunktur auch Menschen einstellen, die sie sonst eher nicht interessiert hätten.

50% nur Pflichtschulabschluss

Dank des starken Wirtschaftswachstums sinkt die Arbeitslosigkeit seit mittlerweile zwei Jahren, seit März 2017 geht sie stärker zurück. Erst zwei Monate später begann auch die Langzeitarbeitslosigkeit zu sinken, seit Anfang dieses Jahres stark. Besonders deutlich zeigt sich das bei den Jugendlichen: Ende Oktober waren 4500 unter 25-Jährige langzeitbeschäftigungslos, um 19Prozent weniger als vor einem Jahr. Die Hälfte aller Langzeitbeschäftigungslosen hat als höchste Ausbildung nur einen Pflichtschulabschluss.

Neben schlecht Ausgebildeten sind vor allem ältere und kranke Menschen besonders oft von langer Arbeitslosigkeit betroffen. Im Osten Österreichs, vor allem Wien und Niederösterreich, gibt es anteilsmäßig mehr Langzeitarbeitslose als im Westen. Das liegt vor allem am kräftigen Zuzug von Arbeitsmigranten aus Osteuropa.

Der starke Rückgang dürfte Arbeitsmarktexperten und Politiker gleichermaßen freuen. Denn das Problem mit Langzeitarbeitslosigkeit ist, dass man relativ wenig dagegen unternehmen kann. Hat sichdie Arbeitslosigkeit einmal verfestigt, wie das in Österreich seit der Wirtschaftskrise 2008/09 geschehen ist, lässt sich dieser Stock nur schwer wieder abbauen. Das beste Rezept gegen Langzeitarbeitslosigkeit sei, sagt deshalb AMS-Vorstand Johannes Kopf, sie gar nicht erst entstehen zu lassen. Sie zu bekämpfen sei teuer und langwierig.

Die Vorgängerregierung versuchte es mit der Aktion20.000. Damit wurden von Gemeinden und gemeinnützigen Vereinen spezielle Jobs für ältere Langzeitarbeitslose geschaffen. Bis Anfang April entstanden 4400 Jobs. Teuer war das allemal: Eine halbe Milliarde Euro war allein für heuer veranschlagt.

Die türkis-blaue Regierung hat die Aktion daher ausgesetzt. Sie setzt lieber auf eine Reform des Arbeitslosengeldes. Laut Regierungsprogramm soll die Notstandshilfe abgeschafft werden. Damit müssten Arbeitslose schneller wieder einen Job annehmen, wenn sie nicht in die Mindestsicherung rutschen wollen. Die Reform war für diesen Herbst geplant, wurde aber auf nächstes Jahr verschoben. AMS-Chef Johannes Kopf appelliert an die Unternehmen, bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter nicht so wählerisch zu sein. Man dürfe gewisse Gruppen, wie Ältere, nicht automatisch ausschließen.

Deutliche Trendumkehr

Die allgemeine Arbeitslosigkeit sank im Oktober um sieben Prozent. Das AMS sieht in Bezug auf die Langzeitarbeitslosen eine deutliche Trendumkehr. Und verweist darauf, dass Österreich im EU-Vergleich zu den Ländern mit dem niedrigsten Anteil an Langzeitarbeitslosen gehört. Experten sehen trotzdem ein gröberes Problem auf dem Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosigkeit sei höher, als es sozial und gesellschaftspolitisch wünschenswert sei, sagte Wifo-Chef Christoph Badelt kürzlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2018)

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