Deutsche Exporte als Segen für EU

APA/dpa/Jörg Sarbach
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Drückt der Exportweltmeister alle an die Wand? So einfach ist das nicht: Durch Vorleistungen sorgen allein deutsche Ausfuhren in Drittstaaten schon für über eine Million Jobs im Rest Europas.

Wien. Die Klage ist alt, tönt aber immer noch ähnlich laut wie am ersten Tag: Deutschland drücke durch seine Exportstärke alle anderen EU-Staaten an die Wand. Sie könnten sich wirtschaftlich nicht entfalten, weil die größte Volkswirtschaft der Union sie mit Gütern gleichsam überschwemmt. Auch Drittstaaten wie die USA oder globale Institutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) klagen ja über Ungleichgewichte, die durch hohe Überschüsse in der deutschen Leistungsbilanz entstehen. In Europa kommen der Binnenmarkt und die „Zwangsjacke“ der gemeinsamen Währung Euro dazu. Aber so einfach ist das nicht, wie in dieser Woche präsentierte Daten der EU-Kommission zeigen.

Es geht dabei um die Exporte der EU in Drittstaaten, also in den Rest der Welt. Gegen sie dürfte innerhalb Europas kaum jemand etwas haben. Denn hinter ihnen stehen europaweit 36 Mio. Jobs, um zwei Drittel mehr als noch im Jahr 2000. Noch dazu gut bezahlte: Exportorientierte Branchen sind dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt und deshalb produktiver, was im Schnitt um zwölf Prozent höhere Löhne als im Mittel der Volkswirtschaft ermöglicht.

Überraschung in Italien

Freilich dominiert auch bei den Drittlandexporten Deutschland. Aber durch Vorleistungen in den immer dichteren Wertschöpfungsketten profitieren von seiner Stärke auch alle anderen EU-Mitglieder. In Summe sorgt Deutschland damit indirekt für über eine Million Jobs im Rest Europas.

In Österreich wird das vielleicht wenige überraschen, weil ja bekannt ist, wie stark heimische Zulieferer von ihren deutschen Industriekunden abhängen. Aber im zunehmend europaskeptischen Italien sorgt die Meldung, dass die Deutschen den Italienern auf diese Weise 160.000 Arbeitsplätze „schenken“, für große Schlagzeilen und einen kollektiven Aha-Effekt.

Sicher: Der größte Jobmotor sind Exporte in Drittstaaten immer im eigenen Land. Aber im EU-Schnitt kommen 18Prozent der durch sie geschaffenen Arbeitsplätze über Vorleistungen anderen EU-Partnern zugute. In der kleinen, nach beiden Richtungen offenen Volkswirtschaft Österreich sind es sogar 25Prozent. Am höchsten ist dieser Anteil interessanterweise in osteuropäischen Ländern wie Tschechien (35Prozent), der Slowakei (30Prozent) und Polen (29 Prozent).

Das alles zeigt die immer stärkere Verflechtung der Wertschöpfungsketten innerhalb Europas – wobei eines der wichtigsten „Drehkreuze“, nämlich Großbritannien, sich durch den Brexit ab dem kommenden Jahr wohl davon verabschiedet.

Botschaft an Trump

Dabei sind bei den Zahlen aus Brüssel nur die Jobeffekte durch Ausfuhren in Drittstaaten erfasst, nicht aber jene der Exporte innerhalb der EU. Sie sind natürlich viel höher – und entsprechend höher wären hier auch die Vorleistungen aus anderen europäischen Staaten. Oft kommen sie auch aus dem Land, wohin das Endprodukt schließlich geliefert wird. Die Ware oder Dienstleistung überschreitet dann im Lauf ihrer Herstellung mehrmals dieselbe Grenze. Sehr wohl erfassen die Daten aber die Jobwirkungen durch EU-Exporte im Rest der Welt. Also zum Beispiel: Ein französischer Autobauer importiert einen Teil aus den USA, montiert den Wagen zusammen und verkauft das fertige Produkt nach China. Hier kommen noch einmal 20 Millionen Arbeitsplätze weltweit hinzu. 1,1 Millionen sind es allein für die Vereinigten Staaten – wohl eine Botschaft Brüssels an US-Präsident Donald Trump, der gerade wieder stark mit Strafzöllen gegen die EU liebäugelt.

Die Hauptbotschaft aber ist nach innen gerichtet: „Die Studie zeigt glasklar, dass Handel Jobs bedeutet“, kommentiert Handelskommissarin Cecilia Malmström. Ein vertiefter Binnenmarkt mache die EU insgesamt wettbewerbsfähiger. Der nicht dazugesagte Umkehrschluss: Wer daran rüttelt, unterminiere die wirtschaftlichen Chancen Europas.

AUF EINEN BLICK

Die EU-Exporte in den Rest der Welt sorgen für 36 Mio. Jobs im Binnenmarkt, um zwei Drittel mehr als im Jahr 2000. Dabei profitiert nicht nur das ausführende Land. Im Schnitt 18 Prozent der Arbeitsplätze betreffen andere EU-Länder, aus denen Vorleistungen kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2018)

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