Trump macht Anleger nervös

Der US-Präsident attackiert die Notenbank.
Der US-Präsident attackiert die Notenbank.REUTERS
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Der US-Präsident attackiert die Notenbank und rät in der Flaute zum Aktienkauf. Der Dow Jones reagiert mit dem höchsten Tagesgewinn in seiner Geschichte.

Wien. Weihnachten – Ruhe und Entspannung? Im Weißen Haus war davon nicht viel zu bemerken. Just in den vergangenen beiden Tagen erregte US-Präsident Donald Trump wieder mit der ihm eigenen Art Aufsehen: mit Sticheln und Provozieren. Diesmal ging es aber weniger um Politik im engeren Sinn, also sein Kabinett. Da hat Trumps Hire-and-Fire-Strategie vergangene Woche mit dem Abgang von Verteidigungsminister James Mattis einen neuen Höhepunkt erreicht. Nein, der erste Mann im Weißen Haus hat nun die Wirtschaft als Betätigungsfeld entdeckt. Genau genommen die Börsen, die ein an Turbulenzen kaum zu überbietendes Jahr hinter sich haben.

Am Heiligen Abend verlor das wichtigste US-Börsenbarometer, der Dow-Jones-Index, noch einmal drei Prozent. Der Dow hat damit seit Anfang Oktober rund 18 Prozent verloren, der breiter gefasste S&P 500 seit Mitte September rund 20 Prozent und die Technologiebörse Nasdaq, an der Konzernriesen wie Amazon und Microsoft gelistet sind, seit Ende August knapp 25 Prozent. Die US-Börsen steuern damit auf den schwärzesten Dezember seit 1931 zu – der damaligen Weltwirtschaftkrise.

Höchster Tagesgewinn

„Ich denke, es ist eine großartige Gelegenheit zu kaufen“, meinte Trump am Dienstag vor Reportern im Weißen Haus im Hinblick auf die fallenden Kurse. Um gleich – im Zug seines Slogans „Amerika first“ – für US-Papiere zu werben: „Wir haben Unternehmen, die größten in der Welt, und die machen ihre Sache wirklich gut.“ Als hätten ihn die US-Anleger erhört. Am Mittwoch stieg der Dow Jones um knapp fünf Prozent und machte mit dem Anstieg von über 1000 Punkten den Montagsverlust mehr als wett. Das war der höchste Anstieg in der Geschichte des Dow Jones.

Ob der Präsident angesichts der vielen politischen Krisenherde auf der Welt eine Anlehnung bei Baron Rothschild gemacht hat, dem der Satz „Man muss kaufen, wenn in den Straßen Blut fließt“ zugeschrieben wird?

Eher nicht. Vielmehr nimmt Trump das Kursgemetzel zum Anlass, seine Attacken gegen die Notenbank und deren von ihm selbst nominierten Boss, Jerome Powell, zu verstärken. In der Federal Reserve und ihrer Zinspolitik hat Trump den Schuldigen für die Kursverluste gefunden, während er die stark steigenden Kurse im ersten Jahr seiner Amtszeit als sein Verdienst ansieht. Die Fed hat heuer viermal die Zinsen erhöht – auch, um der Überhitzung der US-Wirtschaft vorzubeugen, die just von Trumps radikaler Steuerreform befeuert wird.

Powell hat mit dem jüngsten Zinsschritt aber nicht nur Trump noch mehr gegen sich aufgebracht, sondern auch die Börsen der Welt heftig irritiert. „Das einzige Problem, das unsere Wirtschaft hat, ist die Fed“, twitterte der Präsident. Sie hebe die Zinsen zu schnell an und würge die Konjunktur ab.

Schließlich musste Finanzminister Steven Mnuchin ausrücken, um die Wogen zu glätten und Gerüchte zu dementieren, Trump habe die Möglichkeit einer Entlassung Powells diskutiert. Es bestehe keine Gefahr, dass Powell seinen Posten verliere, sagte auch Trumps Wirtschaftsberater Kevin Hassett. Mnuchin hat sich mit einer Krisengruppe der Börsenaufsichtsbehörden getroffen – eine eigentlich nur in Zeiten schwerer Marktverwerfungen übliche Vorgangsweise. Der Minister traf auch die Chefs der sechs größten US-Banken. Alle versicherten, die Märkte funktionierten weiterhin vorschriftsmäßig.

Konjunktur und Zinspolitik per Befehl? Dass das nicht geht, sollte Trump mit Blick in die Türkei wissen. Dort hat Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan angesichts der Wirtschaftskrise und des Währungsverfalls ebenfalls Druck auf die Notenbank ausgeübt und versucht, Zinsen überhaupt zu verbieten. Genützt hat es nichts.

„Der Markt ist besorgt“

Solche Aktionen erhöhen höchstens die Unsicherheit. „Der Markt ist besorgt über das, was in Washington passiert“, sagt Vinay Pande, Handelsstratege bei UBS Global Wealth Management. Schließlich herrscht bei Experten Einigkeit, dass Trump mit seiner erratischen Politik selbst Ursache der Verwerfungen ist. Im Vordergrund steht der Handelskonflikt mit der EU und China sowie Japan. Beide Länder haben Sonderzölle verhängt, der Konflikt schaukelt sich durch gegenseitige Schuldzuweisungen weiter auf.

Wenig zur Entlastung trägt der aktuelle Streit um das US-Budgetgesetz bei, der einen teilweisen Behördenstillstand ausgelöst hat. Trump fordert im Gegenzug zu seiner Unterschrift unter das Haushaltsgesetz fünf Milliarden Dollar für den Bau der von ihm geforderten Grenzmauer zu Mexiko. Die Demokraten im US-Kongress lehnen dies ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2018)

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