Die Steueroasen von morgen liegen in Europa

20 Mrd. Euro hat Google 2017 aus Europa auf die Bermudas geschleust.
20 Mrd. Euro hat Google 2017 aus Europa auf die Bermudas geschleust.(c) imago/xim.gs (xim.gs)
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Noch schleust Google Milliarden in die Karibik. Künftig heißt es: wenig statt null Steuer.

Wien. Es liegt vielen schwer im Magen. Dabei ist das „Double Irish with a Dutch Sandwich“ kein nahrhafter Imbiss, sondern ein berüchtigtes Modell zur Steuervermeidung. Das bewährte Rezept: In Irland ansässige Europazentralen von US-Konzernen schleusen fast ihre gesamten Gewinne in Form von Lizenzgebühren für Patente zu einer holländischen Briefkastenfirma. Von dort geht es zurück nach Irland, aber zu einer weiteren Briefkastenfirma, die ihren steuerlichen Sitz auf den Bermudas hat. Ergebnis der buchhalterischen Odyssee: praktisch keine Steuern zu zahlen, auf ganz legalem Weg. 20 Mrd. Euro entzog der Google-Mutterkonzern Alphabet im Jahr 2017 auf diese Weise dem Zugriff der europäischen Steuerbehörden, wie nun bekannt wurde. Um vier Milliarden mehr als im Jahr zuvor.

Aber sollten solch breit kritisierte Praktiken nicht längst der Vergangenheit angehören? Tatsächlich hat sie die irische Regierung Anfang 2015 untersagt – aber nur für Neueinsteiger. Für die bestehenden Modelle von Google, Apple, Microsoft, Amazon oder Starbucks gilt eine großzügige Auslauffrist bis Ende 2020. Kritiker monierten: Das gibt den Konzernen der Tech- und Pharmabranche viel zu viel Zeit, um sich in aller Ruhe neue Schlupflöcher zu suchen.

Aber es hat sich sehr wohl etwas geändert. Der Kampf gegen die Steuerflucht ist eines der weniger Themen, bei denen Europa und Trumps USA weiter an einem Strang ziehen. Die OECD hat 2015 ihren Maßnahmenplan mit dem sperrigen Titel „Beps“ präsentiert, der nun auch breit umgesetzt wird. Digitalfirmen können ihre Gewinne nicht mehr so leicht unversteuert aus Europa hinausschleusen.

Töchter, bei denen die Gewinne landen, müssen nachweisen, dass sie operative Substanz haben– Mitarbeiter, Manager, Verkaufsteams. Die Fiskalbehörden tauschen ihre Daten über Erträge und Steuerleistung der Firmen einmal jährlich aus, was mehr Transparenz schafft als früher.

Irland als Gewinner

Das Ergebnis: Echte Steueroasen, in denen die Belastung nahe null liegt, verlieren ihre Attraktivität als Standorte für Briefkastenkonzerntöchter. Das betrifft Karibikstaaten wie die Bahamas oder Cayman Islands, aber auch innerhalb Europas die Kanalinseln oder die Isle of Man. Die Gewinner sind jene Länder, in denen multinationale Unternehmen tatsächlich Wertschöpfung erzielen, aber dennoch relativ moderat besteuert werden. Und damit, mehr denn je: Irland. Dort liegt die Körperschaftsteuer nicht nahe null, aber mit 12,5 Prozent doch weit unter dem europäischen Schnitt. Dazu kommen die EU-Mitgliedschaft sowie Arbeitskräfte, die Englisch sprechen, eine gute Ausbildung haben und nicht sehr teuer sind. Etwas mehr müssen sich die Holländer überlegen. Auch sie wollen die vielen Ableger internationaler Konzerne im Land halten, obwohl sie künftig nicht mehr wertvolle Bausteine in Steuerfluchtmodellen sind. Aber die Körperschaftsteuer ist dort mit 25 Prozent so hoch wie in Österreich. Kein Wunder, dass man wie hierzulande an eine Senkung denkt.

Was Irland für Europa ist, das ist Singapur für Asien: keine klassische Steueroase, aber ein fiskalisch attraktiver Standort, der sich als Hauptquartier für Aktivitäten in der Region anbietet. Mit einem Rechtssystem im britischen Stil, das Anwälten weltweit geläufig ist, einem großen internationalen Flughafen und wenig Regulierung. Letzteres ist vor allem für Finanzunternehmen relevant, die ihre Aktivitäten immer stärker von der Schweiz nach Singapur verlagern.

Das Fazit: Auch wenn die aktuelle Google-Meldung einen anderen Eindruck erweckt, sind die Tage der Nullbesteuerung von Auslandsaktivitäten der US-Konzerne gezählt. Aber eine niedrige Belastung bleibt ein hoch relevanter Standortfaktor – was den Steuerwettbewerb innerhalb Europas künftig anheizen wird. (gau)

AUF EINEN BLICK

Google hat im Jahr 2017 in Europa erzielte Gewinne von 20 Mrd. Euro unversteuert auf die Bermudas geschleust. Das dahinter stehende Konstrukt ist aber ein Auslaufmodell. Alle vergleichbaren Methoden von Tech- und Pharmakonzernen sind nur noch bis Ende 2020 erlaubt. Die von der OECD ausgearbeiteten Regeln verhindern künftig eine Nullbesteuerung in echten Steueroasen, etwa in der Karibik. Umso attraktiver werden damit Standorte, die sich für eine operative Tätigkeit gut eignen und dennoch relativ wenig Steuerleistung verlangen – wie Irland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2019)

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