Der milde Winter in Asien lenkt eine Flut an Flüssiggas nach Europa. Der Preis sinkt um ein Drittel. Will Russland seine Marktmacht halten, ist das nicht das Ende.
Wien. Wenn Politiker ihre „Deals“ aushandeln, lassen sie die Ökonomen und Betriebswirte meist lieber daheim. So auch im Sommer 2018, als Jean-Claude Juncker dem amerikanischen Präsidenten, Donald Trump, in die Hand versprochen hat, dass „seine“ EU in Zukunft mehr amerikanisches Flüssiggas (LNG) kaufen werde. Branchenexperten hatten dafür nur Kopfschütteln übrig. Warum sollte Europa überteuertes LNG kaufen, wenn Russland genügend günstiges Erdgas liefere? Am Donnerstag legte die EU-Kommission mit einer hübschen Gaskonferenz in Brüssel nach: US-Energieminister Rick Perry durfte gegen die geplante Nord-Stream-II-Pipeline der Russen wettern, und Deutschland bekräftigte, zwei neue LNG-Terminals bauen zu wollen. Was tut man nicht alles, um Importzölle auf europäische Autos zu verhindern?
Doch Europas Politiker hatten Glück: Was vor wenigen Monaten noch wie ein billiger Kuhhandel im Handelsstreit ausgesehen hat, entwickelt sich überraschend doch noch zu einem rentablen Projekt. In den vergangenen Monaten sind so viele LNG-Tanker in EU-Häfen angelandet, wie nie zuvor. Allein die Lieferungen aus den USA stiegen seit Juli 2018 um 272 Prozent. Selbst die russische Gazprom ignoriert die USA auf dem Gasmarkt nicht mehr mit der lässigen Selbstverständlichkeit der klaren Nummer eins, sondern spricht heute von einem „ernsthaften Konkurrenten in Europa“.