Karl-Heinz Grasser: Immer wieder unschuldig

Karl Heinz Grasser Immer wieder
Karl Heinz Grasser Immer wieder(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Der ehemalige Finanzminister wird von seiner Vergangenheit eingeholt. Vor allem in der Causa Buwog sieht es nicht gut für ihn aus. Doch die Justiz ist säumig: Für Prominente wie ihn gelten tatsächlich andere Gesetze.

Es war ja ganz nett, ihn wieder mal zu sehen. Karl-Heinz Grasser hat einst so fix zum Tagesprogramm des Fernsehzuschauers gehört, dass seine jüngste PR-Offensive nostalgische Gefühle aufkommen lässt. Gut schaut er aus, der Ex-Finanzminister. Gar nicht verhärmt oder gestresst oder sonst wie derangiert. Dabei können seine TV-Auftritte in der vergangenen Woche nicht wirklich ein Spaß gewesen sein.

Grasser ist angetreten, sein ramponiertes Image wieder etwas aufzumöbeln. Doch gegen die Fülle von Indizien kommt auch ein rhetorisches Talent wie er nicht an. Grassers Bemühungen gleichen dem Versuch, auf einer gärenden Mülldeponie mit feinem Rasierwasser zu punkten.

„Nicht überall, wo ein Skandal ist, ist ein Grasser drin“, hat sein Rechtsanwalt Manfred Ainedter einmal formuliert. Aber viel lässt sein Mandant nicht aus. Hypo Alpe Adria und Buwog sind nur die spektakulärsten Fälle, in denen der Ex-Politiker derzeit Erklärungsbedarf hat. Selbstverständlich gilt in allen Causae die Unschuldsvermutung. Sie gilt nur schon ziemlich lang.

Denn die Justiz hat es nicht eilig. In der Causa Buwog wird Grasser seit einer Anzeige der Grünen im Oktober 2009 als Beschuldigter geführt. Bisher wurde er weder vom Staatsanwalt einvernommen, noch wurden seine Konten geöffnet. SPÖ und Grüne wettern seit Wochen gegen den „Promibonus“, den der ehemalige Politiker ihrer Meinung nach genießt. Thomas Vecsey, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, verteidigt die drei mit dem Fall betrauten Kollegen: „Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Eine Einvernahme ist erst sinnvoll, wenn wir Sachbeweise haben. Bis dato gibt es nur Indizien.“

In der Staatsanwaltschaft staut sich dem Vernehmen nach erheblicher Frust, weil man sich zu Unrecht kritisiert fühlt. Grasser sei eine Person des öffentlichen Interesses, der ganze Fall daher „nach oben“ berichtspflichtig, heißt es. Jeder halbwegs bedeutsame Ermittlungsschritt muss in einem Vorhabensbericht dokumentiert und von der Oberstaatsanwaltschaft sowie vom Justizministerium abgesegnet werden. Und das kann dauern. „Es scheitert nicht an uns“, seufzt ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Wien.

Den Promibonus, den SPÖ und Grüne unterstellen, gibt es tatsächlich. Paragraf 8 des Staatsanwaltschaftsgesetzes, der die Sonderbehandlung von Personen des öffentlichen Interesses regelt, bürdet Staatsanwälten detaillierte Berichtspflichten auf und lässt so VIPs von Grassers Zuschnitt stets einen Vorsprung. Sollte der Ex-Finanzminister etwas zu verstecken gehabt haben, blieb ihm viel Zeit dafür.

Fast Vizekanzler. Grasser hatte immer schon recht individuelle Vorstellungen von politischer Moral. Er ließ sich von der Industriellenvereinigung eine 280.000 Euro teure Homepage sponsern, kassierte fette Honorare für Vorträge, vergab einträgliche Jobs an enge Freunde, ließ sich von Magna-Boss Frank Stronach nach Monte Carlo einladen, von Julius Meinl auf dessen Jacht und von der Constantia Privatbank nach St. Moritz. Mit allem ist er durchgekommen. Noch Anfang 2007 wollte ihn der scheidende ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel als Vizekanzler installieren. Doch der 2004 abgewickelte Verkauf von 60.000 Bundeswohnungen (kurz: Buwog) könnte Grasser spät, aber doch in die Bredouille bringen.

Vor einem halben Jahr veröffentlichte das Nachrichtenmagazin „Profil“ die Aussage von Michael Ramprecht, einem ehemaligen Kabinettsmitarbeiter von Grasser, der den Buwog-Verkauf als „abgekartetes Spiel“ beschrieb. Kurz davor hatten die Lobbyisten Walter Meischberger und Peter Hochegger in derselben Causa Selbstanzeige erstattet, weil sie Beratungshonorare in der Höhe von fast zehn Millionen Euro nicht versteuert hatten. Seither wurden Meischberger und Hochegger von der Staatsanwaltschaft jeweils viermal vernommen. Sie widersprachen einander zwar in einigen Punkten, doch das Sittenbild der Ära Grasser ist stimmig – und sehr düster.

Schon die Auswahl der mit dem Verkauf betrauten Investmentbank dürfte nicht sauber gelaufen sein. Ernst Karl Plech, Immobilienmakler, damals Aufsichtsratspräsident der Buwog und Mitglied der Vergabekommission, soll Michael Ramprecht kurz vor der entscheidenden Sitzung beiseite genommen und ihm geflüstert haben: „Der Minister will, dass es Lehmann wird.“

Kein Zufall. Die Immofinanz bekam die Buwog um 961 Millionen Euro. Der Mitbieter, die CA Immo, hatte nur 1,2 Millionen weniger geboten. Die geringe Diskrepanz bei einem Deal dieser Größenordnung war kein Zufall. Lobbyist Peter Hochegger sagte vor dem Staatsanwalt: „Meine Botschaft war, dass er (gemeint ist Immofinanz-Chef Karl Petrikovics) über 960 Millionen Euro bieten muss.“ Diese Info habe er, Hochegger, wiederum von Meischberger gehabt.

Alle handelnden Personen sind dicke Kumpel von Karl-Heinz Grasser. Man schätzt einander, man hilft einander. Meischberger war Trauzeuge, als Grasser Fiona Swarovski heiratete. Seine Werbeagentur „Zehnvierzig“ durfte an Grassers berühmter Homepage mitwerkeln, und vom fürstlichen Buwog-Honorar bekam er den Löwenanteil. Gemeinsam mit Grasser und Hochegger gründete Meischberger die mittlerweile stillgelegte Beratungsfirma Valora Solutions. Peter Hocheggers Agentur bekam vom Finanzministerium allein für eine Informationskampagne 2,3 Millionen Euro, die Homepage warf immerhin 144.000 Euro ab. Ernst Karl Plech durfte 2001 den Umzug des Justizministeriums vermitteln und kassierte dafür über 600.000 Euro Provision. Mit Grasser gründete Plech im Vorjahr die Immobilienfirma GPSI.

Der Einzige, der nach eigenen Angaben von seinem Freundeskreis ausschließlich menschlich profitiert haben will, ist Karl-Heinz Grasser. Er habe nichts gewusst, nichts genommen, niemanden beeinflusst, rechtfertigt sich der Ex-Minister. Dagegen spricht unter anderem eine Seychellen-Reise mit Freundin im Wert von 4600 Euro, die Walter Meischberger bezahlt hat – und zwar blöderweise acht Wochen vor dem Buwog-Verkauf. Grasser habe ihm das Geld zurückgegeben, behauptet Meischberger. Ob in bar oder per Überweisung, wisse er leider nicht mehr.

Hin und retour. Mysteriös blieb bis jetzt, was es mit einer Fehlüberweisung auf sich hat, die angeblich von einem Meischberger-Konto in Liechtenstein auf Grassers Konto in Kitzbühel getätigt und umgehend wieder rückgängig gemacht wurde. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter hat diese Spur aufgetan, Details will er nicht preisgeben. „Mir ist das aus zwei Quellen zugetragen worden. Und Grassers Anwälte haben es nicht dementiert.“

Als würde die Buwog nicht ausreichen, steht Grasser derzeit auch noch in der Causa Hypo Alpe Adria unter Beobachtung. Aufgetaucht ist ein Mail folgenden Inhalts: „Sehr geehrter Herr Minister Grasser, im Auftrag von Dr. Berlin übermittle ich Ihnen den Zeichnungsschein samt Genussschein-Bedingungen der 1. Tranche.“ Gemeint ist jenes Finanzierungsmodell, das innerhalb weniger Monate eine Rendite von 40 Prozent erzielte und derzeit Gegenstand von Ermittlungen ist. Grasser bestreitet nicht das Mail, wohl aber eine Beteiligung an der Hypo. Die Schweizer Treuhandgesellschaft Ferint, die auf der Investorenliste aufscheint, wurde erst Grasser zugeordnet. Wie „Die Presse“ exklusiv berichtete, dürfte allerdings nicht Grasser selbst, sondern seine Schwiegermutter Marina Giori Zeichnungsberechtigte sein. Pikantes Detail am Rande: Laut dem Magazin „Format“ habe Giori ihrem Schwiegersohn Geld für den Umbau eines luxuriösen Penthouse in der Wiener City vorgestreckt.

Auch rund um Meischberger und Hochegger gibt es noch Geheimnisse. Die Staatsanwaltschaft interessiert sich unter anderem für 200.000 Euro, die im Rahmen eines großen Bauprojekts in Linz vom Baukonzern Porr an Hocheggers zypriotische Firma Astropolis überwiesen wurden. Der „Terminal Tower“ war 2006 errichtet worden, Mieter ist die Finanzlandesdirektion, und Finanzminister zu der Zeit war bekanntlich Karl-Heinz Grasser.

Vor etwa einer Woche trafen in der Staatsanwaltschaft Wien brisante Papiere aus Liechtenstein ein. Es handelt sich um die Auszüge der Nummernkonten „Walter“, „Karin“ und „Natalie“, die allesamt Walter Meischberger zugeordnet werden. Für das Konto „Karin“ soll auch Familie Plech eine Zeichnungsberechtigung besitzen. Von einem dieser Konten müsste die Fehlüberweisung an Grasser durchgeführt worden sein. Staatsanwälte-Sprecher Thomas Vecsey: „Das sind zehn Kilo Papier. Es wird ein wenig dauern, bis wir alles durchgearbeitet haben.“

Karl-Heinz Grasser wird das nicht stören. Zeit hat er ja genug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2010)

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